Es rollt etwas Grosses auf die Velowelt zu – im wahrsten Sinne des Wortes. 32-Zoll-Laufräder sorgen derzeit für heisse Diskussionen. Die einen sehen darin den nächsten Evolutionsschritt, die anderen wittern einen Marketing-Hype auf zu grossem Fuss.
Wer die letzten Monate nicht in einer Höhle oder auf einem Baum verbracht hat, hat es bestimmt mitbekommen: Die Veloindustrie arbeitet intensiv am «The next big thing». Das Big ist nicht nur sprichwörtlich, wollen die Hersteller doch, dass wir in Zukunft auf 32-Zoll-Rädern über Stock und Stein fahren.
32-Zoll sei die neue Zauberformel, sagen die Hersteller. Doch was ist dran am Hype? Brauchen wir das wirklich oder will die Industrie neue Verkaufsargumente schaffen? Veloplus geht der Frage nach: Sind 32-Zoll-Räder wirklich der nächste grosse Schritt in der Evolution des Velofahrens? Oder ist es einfach ein weiterer Versuch, das Rad neu zu erfinden?
Was bisher geschah
Sehr viel, und gleichzeitig eigentlich gar nichts. Man wähnt sich im Film «Independence Day». Als würden 32-Zoll-Räder unter Blitz und Donner aus den Wolken auftauchen und die Welt in ihren Schatten hüllen. Sichtbar für alle. Greifbar allerdings kaum. Wer schon mal die Hände an einem 32-Zoll-Velo hatte, gehört fast schon zu einem erlesenen Kreis. So geistern 32-Zoll-Räder durch die Velowelt, immer gewillt, Hoffnungen zu wecken – oder jemand zu erschrecken.
Informationen zur neuen Laufradgrösse sind im Internet reichlich vorhanden, aus erster Hand wissen aber die Wenigsten etwas. Was den Velofans an Erfahrung fehlt, kompensieren sie mit Meinung. Kaum ein Thema polarisiert die Velowelt momentan mehr als 32 Zoll. Die einen argumentieren, dass etwas Neues auch immer neue Möglichkeiten eröffne. Andere sind eher negativ eingestellt. Es gehe der Bike-Industrie bei der Innovation nicht um die Kundschaft, sondern um die eigenen Umsätze. Das ist faktisch sogar richtig. Wer etwas Neues bringt, der verkauft. Vorausgesetzt, es bringt einen echten Nutzen.

«Ich finde es erfrischend, dass die Velo-Industrie mit den 32-Zoll-Laufrädern etwas komplett Neues wagt. Das ist viel spannender als die ständigen ‘Innovationen’, die schlussendlich nur ein paar Gramm Gewicht einsparen.»
Anon Lu, Teamleiter Veloplus Zürich-Oerlikon
Die Vor- und Nachteile von 32-Zoll-Laufrädern
In der Theorie bringen grössere Laufräder viele Vorteile. Dank der grösseren Auflagefläche bieten sie mehr Grip und Traktion. Sie rollen auch leichter über Hindernisse. Die ersten Tests bestätigen das nicht nur, die grösseren Räder performen in der Praxis offensichtlich wirklich sehr gut. Weitere Vorteile wie die grosse Schwungmasse und der tiefere Schwerpunkt (Ergänzung der Redaktion: gemeint ist die Innenlagerabsenkung, auch Bottom Bracket Drop genannt) sorgen dafür, dass 32-Zoll-Bikes wahrhaftige Speedmaschinen sind – bergauf wie bergab.
Natürlich gibt es auch Nachteile. Handling und Wendigkeit leiden unter den grossen Rädern. Für technische, enge und verwinkelte Trails sind 32-Zoll-Velos definitiv nicht gemacht. Müssen sie auch nicht, das ist nicht ihr Territorium. Sie entfalten sich auf langen Touren und endlosen Trails.
Diese 32-Zoll-Bikes gibt es bereits
Bike Ahead Composites: Project 32
Bike Ahead Composites hat einen 32-Zoll-Prototyp entwickelt, der voll fahrtüchtig ist. Damit sammelt der Spezialist für Karbon-Komponenten aus Deutschland echte Eindrücke darüber, wie sich 32-Zollräder beim Fahren verhalten.
Mehr Infos und viele Bilder zum Projekt 32 von Bike Ahead hat MTB News zusammengestellt.
Stoll Bikes: P32
«The future is big», so kündigt Stoll Bikes seine Eigenentwicklung P32 an. Die neue Laufradgrösse würde den Mountainbikesport nachhaltig verändern und die Grenzen verschieben. Gemäss Stoll Bikes verringere sich der Rollwiderstand, die Traktion nehme zu. All das hebe die Performance auf ein neues Level.
Der Zeitplan ist ambitioniert. Stoll Bikes will bereits im April 2026 die ersten 32-Zollbikes, vorerst in Grösse M, ausliefern. L folge dann im Juni. Die Modelle verfügen über eine Vollfederung. Die Kundschaft muss aber tief in die Geldbeutel greifen, kostet die günstigste Variante doch solide CHF 11’800.
Alle Infos auf Stoll Bikes.
Ride durfte Stoll Bikes bereits testen. Hier geht es zum Bericht.
KTM: Project Sixty Four
KTM konnte es sich nicht verkneifen, den neu entwickelten 32-Zoll-Prototypen am Weltcup in Lenzerheide zu präsentieren. Offizielle Infos sind jedoch noch nicht vorhanden. Immerhin beglückt KTM die Interessierten mit einem Instagram-Post. Viel schlauer wird man daraus nicht. KTM schreibt, dass etwas Neues, Grosses anrolle, und das nicht nur für die «Riesen unter uns», und dazu: «That’s all we’re saying… for now.»
Fraction Bike Studio: Big Ben
Nicht mal drei Monate Entwicklungszeit hat der kleine kanadische Hersteller benötigt, um den eigenen 32-Zoll-Prototypen mit dem Namen Big Ben an den Start zu bringen. An der Eurobike war er am Stand von Maxxis bereits zu bestaunen. Über die Performance staunt Fraction Bike Studio selbst: Die grossen Laufräder und die je 120 mm Federweg vorn und hinten lassen den Big Ben besser steigen, abfahren und das Tempo halten, als Fraction das erwartete.
DirtySixer: Gravel und MTB 32-inch wheels
Wer jetzt schon ein 32-Zoll-Velo kaufen will, kann sich bei DirtySixer eines bestellen. Es ist der einzige Hersteller, der bereits Velos mit der neuen Laufradgrösse anbietet, und das sogar in verschiedenen Ausführungen und Modellen. Je ein Gravel-, Mountain und E-Mountainbike in den Grössen X, XL und XXL sind verfügbar. Die Preise bewegen sich zwischen USD 5900 und USD 9000.
CEO von DirtySixer ist 2-Meter-Mann David Folch. Die Marke gründete er, als er sich von Knochenbrüchen erholte, die er sich bei einem Sturz von einem 27.5 Zoll-Bike zugezogen hatte und die Zeit nutzte, sich alles beizubringen, um Bikes jenseits von 29-Zoll zu bauen. DirtySixer ist Pionier für Velos für grosse Menschen. 32-Zoll ist noch nicht mal das grösste Laufrad im Portfolio. Für wirklich grosse Menschen führt der Hersteller sogar 36-Zoll-Bikes im Angebot. Stolzer Besitzer eines solchen Ungetüms ist übrigens Shaquille O’Neil.
BMC: Project Fahrenheit
«Ein Vorgeschmack auf morgen», so kündigt BMC sein Project Fahrenheit in einem LinkedIn-Post an. Es sei BMCs erster Vorstoss in die 32-Zoll-Welt. «Ja, 32 Zoll» steht da für alle, die meinen, falsch gelesen zu haben.
Es handle sich nicht um den Produktlaunch oder um eine Ankündigung dessen, was bei BMC in den Startlöchern stehe, sondern um einen Test – ohne Versprechen, ohne Release-Datum. BMC lehnt sich also nicht weit aus dem Fenster, noch nicht. Man stehe noch am Anfang der Entwicklung. Ob 32-Zoll nun wirklich kommt? BMC: «Too soon to say». Yeah right…
BikeX hat das Project Fahrenheit in diesem Bericht genauer unter die Lupe genommen.

Leovelo
Das 32-Zoll-Bike von Leovelo als Monstrosität zu bezeichnen, ist fast noch eine Untertreibung. Es kommt ohne Federung aus und glänzt mit einem Gewicht von sage und schreibe nur 10.4 kg. Wer sich nicht unverzüglich draufsetzen und eine Probefahrt machen will, werfe den ersten 29-Zoll-Pneu.
Wie geht es weiter?
Bis zur Marktreife werden die Entwickler noch viele Probleme lösen und Standards definieren müssen (das beleuchten wir in einem späteren Artikel hier im Veloplus-Blog). Eines ist gewiss: die Bike-Industrie hat sich beim Wechsel von 26 auf 29 Zoll bereits einmal neu erfunden. Es wäre ja gelacht, würde sie aus den Fehlern nicht gelernt haben und die anstehende 32-Zoll-Revolution mit Bedacht und mit viel Know-how angehen.
Entscheidend wird aber sein, ob die UCI das Go für 32-Zoll-Bikes gibt. Kommt hier ein Nein, dann wird das wohl das Ende von 32-Zoll für die Masse bedeuten.
Ist 32 Zoll aber die neue Wahrheit? Der neue Heilsbringer? Dass die 32-Zoll-Räder ihre Daseinsberechtigung haben, scheint unwidersprochen. Dass sie kommen werden, ist ein Fakt. Es wird sich zeigen, ob die grosse Masse an Velofahrern und Velofahrerinnen auf 32 Zoll umsteigen wird oder ob die Bikewelt mit 29 Zoll bereits die goldene Mitte gefunden hat. Der drahtige, austrainierte Crosscountry-Biker wird in Zukunft seine ausgedehnten und auf Leistung ausgelegten Touren bestimmt auf einem 32-Zoll-Bike fahren. Das gilt auch für die Hardcore-Gravelbikerin, die ihre Freude in Watt und km/h misst. Nische, Masse oder Flop: Das ist hier die Frage. 2026 wird die Antworten liefern. Vielleicht.
To be continued… Veloplus bleibt für dich am Thema dran.
Was ist deine Meinung zu 32-Zoll-Velos? Wir freuen uns auf deinen Kommentar.
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16 Kommentare
6. November 2025
„Vorteile wie die grosse Schwungmasse und der tiefere Schwerpunkt sorgen dafür, dass 32-Zoll-Bikes wahrhaftige Speedmaschinen sind – bergauf wie bergab.“
Also nur mal für Viertklässler: Wenn der Durchmesser eines Kreises steigt, wandert der Kreismittelpunkt nach oben. Wie sinkt also bitteschön der Schwerpunkt, wenn man das Rad für Humanoide fahrbar halten will (Kreisabstand) ?
Nun Mechanik / Physik 1. Semester Uni: Was hat die Schwungmasse mit Speed zu tun ? Bei Beschleunigung +/- bin ich ja noch dabei. LOL
6. November 2025
Bitte erkläre mir einer, wie der Schwerpunkt tiefer zu liegen kommt. Die Radmitte mit den Naben liegt sicher höher und dass dann das Tretlager wiederum entsprechend noch tiefer liegt als bei kleineren Rädern, kann ich mir nicht vorstellen. Also ist der Schwerpunkt höher.
7. November 2025
Besserer Grip und einfacher über Hindernisse – ja
Aber mehr Schwungmasse ist schlecht für die Beschleunigung : Kraft = Masse multipliziert mit der Beschleunigung……
7. November 2025
Ich für meinen Fall benötige keine physikalischen Formeln. Steuerung und Fahrgefühl werden mir direkt über meine Hände und A-Backen mitgeteilt, ohne lästigen Umweg und Verzögerung über einen digitalen Prozessor.
Also draufsitzen und probieren ist doch des Radfahrers Ding.
7. November 2025
Möchte meinen Namensvetter unterstützen…. wenn mal in Schwung, dann dreht ein grosses Rad besser als ein kleines. Aber es braucht mehr Energie ein grosses Rad auf dieselbe Geschwindigkeit zu beschleunigen wie ein kleines. Speziell beim langsamen und ungleichmässigen bergauf fahren, wo Agilität und immer neues Beschleunigen notwendig ist, sind die grossen Räder eher „Kraftvernichter“ als eine Speedmaschine.
Ich möchte damit nicht die behaupten, dass das eine besser oder schlechter ist, aber ich möchte damit die für mich etwas sehr einfach formulierten Text technisch ergänzen.
7. November 2025
Die Mountainbike-Turbos/-Tyrannen werden dann umso mehr die Natur und die Normalo-Wanderer und Waldspaziergänger tyrannisieren. Neue 32-er Pumptracks und -Trails und der ganze Hypeschrott werden die Umwelt völlig unnötig belasten.
Veloplus sollte sich von dieser Schnaspsidee distanzieren. Und die Ich-AG-Typen sollten nicht noch gefördert und unterstützt werden.
Danke Veloplus!
7. November 2025
Ich warte lieber auf das 38-Zoll-Bike.
Kommt bestimmt (vielleicht ja erst nach dem Zwischen-Mega-Fortschritt 35-Zoll).
Mit dann NOCH tieferem Schwerpunkt, NOCH weniger Masse. Logisch…
Übrigens gab’s das schon längst mal – die ersten Velos hatten noch größere
– zumindest Vorderräder. Hat sich aber leider nicht so durchgesetzt. :-))
7. November 2025
Nachtrag:
Übrigens scheint es auch ein physikalisches Phänomen zu sein dass der Preis bei 20-prozentiger Steigerung des Radumfangs um 50 Prozent steigen muss.
Was wiederum den Schwerpunkt des Portemonnaies spürbar verändert
7. November 2025
Als ich die Vorteile der 32″ Räder oben gelesen habe, habe ich wie Stefan G geschmunzelt. Ganz klar, grössere Räder geben mehr Schwungmasse und ERHÖHEN den Schwerpunkt. Ansonsten stimmt die Elementar-Geometrie und -Physik nicht mehr.
Grösseres Durchmesser hat einen Sinn für Hindernisse zu bezwingen. das macht vielleicht Sinn aber NUR für Geländeräder.
Bei Abfahrten (downhill) werden bestimmt höhere Geschwindigkeiten erreicht, denn die kleinen Hindernisse (Steine, Wurzeln, etc.) werden durch grössere Räder besser bezwungen. Aber bei Kurven könnte es problematisch werden.
Wie dem auch sei, bei Strassenräder wird es bei 28″ bleiben.
Dieses Optimum ist das Resultat von mehr als 100 Jahren Tüftereien.
7. November 2025
Il est clair que si tout le monde a adopté une roue de 29 pouces et qu’on veut que ces gens achètent de nouveaux vélos, il faut une modification radicale : des roues de 32 pouces.
Une légère avancée dans le confort (on oublie le centre de gravité qui descend 😉 ) et une immense bêtise pour le climat, mais c’est le dernier des soucis de ceux qui développent ces produits.
7. November 2025
Ich sehe hier nur XC bikes und vielleicht ein Gravelrad. Definitiv ist 32″ was für 2-Meter-Menschen. 1,70 Meter-Menschen kämpfen schon mit 28″ und wie ich die Fahrradindustrie gerade sehe, wird nur noch Massentaugliches produziert. Schauen wir uns doch einmal die Standardgrösse des heutigen Menschen in den westlichen Ländern an und wenn das Gross so um die 2 Meter ist, dann werden 32″ wohl kommen, allenfalls wird der ganze Schmou verschwinden, wie auch 22″ und 18″. Diese hatten schon mehr Sinn für unseren Nachwuchs, wo sind die heute? Btw wo sind die Frauen-freundliche Versionen von den Bikes die es vor 4-5 Jahren mal gab (gerade im Rennvelo Sektor)? Haha… 32″!
7. November 2025
Tönt ja spannend. Ja zwischen 26iger und 29iger ist ein markanter Unterschied- Flow versus Wendigkeit. Ob diese Proportionalen in Zahlen auch proportional spürbar sind bei 32iger? Wer noch Bikes im oder auf dem Auto transportiert, dürfte sich noch ein paar Gedanken zu den Abmessungen machen müssen (überlappen bei Heckträger oder Länge des Innenladeraums).
Ich bin gespannt auf die ersten Bikes bei unseren Händlern
7. November 2025
Vielen Dank liebe Community für die vielen Kommentare und die Diskussion. Gerne möchte ich zwei Anmerkungen zum Artikel machen. Mit Schwerpunkt ist die Innenlagerabsenkung gemeint, auch Bottom Bracket Drop genannt. Je grösser dieser Wert ist, desto tiefer sitzt der Schwerpunkt. Das wirkt sich positiv auf das Kurvenverhalten und die Stabilität des Bikes aus. Dann zur Schwungmasse des Rades: Je grösser es ist, desto grösser wird die Schwungmasse. Es braucht dann zwar mehr Energie, um das Rad zu beschleunigen, ist es aber in Bewegung, lässt es sich schwerer stoppen. Das und der flachere Abrollwinkel führen dazu, dass grössere Räder besser über Hindernisse rollen.
7. November 2025
Beim Vergleich der Prototypenbilder ist zu erkennen, dass die Kettenstrebe entweder mit deutlicher Steigung vom Tretlager wegführt oder eine Biegung im Bereich kurz vor der Hinterradachse aufweist. Dadurch „hängt“ der Rahmen im Bereich der Radachsen im Vergleich zu aktuellen Bikes tiefer. Der Schwerpunkt wird durch diese Konstruktion nach unten verschoben und dürfte sich insgesamt in einem ähnlichen Bereich befinden wie bei aktuellen Modellen. Würden hingegen aktuelle Rahmen einfach skaliert, um 32-Zoll-Räder aufzunehmen, würde der Schwerpunkt mit nach oben verschoben. Vermutlich wird dieser konstruktive Unterschied mit dem Begriff „tiefer Schwerpunkt“ beschrieben.
7. November 2025
Sehen aus wie Draisine oder Veloziped mit Pedalen.
7. November 2025
Ob jetzt 29 oder 32 Zoll ist mir völlig egal. Der Blog hingegen ist Lesespass vom Feinsten, ich gratuliere!