Veloplus-Kunde Ivan war auf dem Velo-Abenteuer seines Lebens. Ohne grosse Erfahrung mit dem Velo war sein ambitioniertes und spontanes Ziel bis nach Griechenland zu fahren. Im Reisebericht erfährst du, was er dabei erlebt hat und ob er es geschafft hat.
Reisebericht von Ivan Städler
Es gibt Ideen, die verfolgen einen ein Leben lang. Dies ist keine davon. Denn diese entstand komplett spontan. Meine Freunde wollten im Oktober in Griechenland segeln gehen, ich hatte jedoch schon vorher Zeit und Lust zu reisen. Dann kam eben diese Idee, für welche ich dann bei Veloplus die perfekte Ausstattung gefunden habe (denn es fehlte mir sowohl am «Velo», also auch am «plus», was allerlei Zubehör und die Leidenschaft zum Sport beinhaltet). Das Vorhaben: Mit Velo und Gleitschrim von Eichberg über den Balkan nach Griechenland und dann allenfalls weiter nach Spanien. Mein treuer Begleiter: ein bis obenhin beladenes Fahrrad (Toutterrain-Velo mit Pinion-Antrieb – sehr zu empfehlen!), das mit Gepäck über 60 kg wog (fand ich erst am Flughafen in Griechenland heraus, da ich es vorher gar nicht wissen wollte) – und ein Gleitschirm, um die Beine auch ab und zu etwas hängen zu lassen. Was folgte, war eine Reise voller Höhen, Tiefen und Geschichten, die süchtig machen.
Erste Kilometer – erste Geschichten
Der erste Abschnitt verlief – sagen wir mal – wie erwartet chaotisch. Beim ersten Shopping-Stopp nach gerade einmal fünf Kilometern brach mein Fahrradständer unter der Last zusammen. Super Auftakt! Doch eine schnelle Reparatur bei Breita-Bike in Oberriet und schon rollte ich weiter Richtung Österreich. Die Alpen begrüssten mich mit Steigungen, die nicht nur meine Beine, sondern auch meinen Willen testeten. Doch gleich nach der ersten grossen Hürde, einem Pass beim Kopser Stausee kurz vor dem gesperrten Silvrettapass, lernte ich eine wichtige Lektion: Es geht nicht nur um die Route, sondern auch um die Menschen.
In dem kleinen Dorf Mils im Tirol nahm mich ein «Männerpolteri» kurzerhand auf, nachdem sie mich für den Verkauf eines Biers angehalten hatten. Bevor ich genügend Zeit hatte, darüber nachzudenken, hatten sie mir schon ein Zimmer im einzigen Hotel in der Gegen gebucht und – was mir etwas unangenehm war – sogar bezahlt. Ich habe viel von gastfreundlichen Menschen und Ländern gehört, aber es irgendwie nicht so früh erwartet – ein unvergesslicher Moment!
Endlich spricht niemand mehr Deutsch
Nach überfüllten, aber wunderschönen Alpen führte mich die Route ins grüne Slowenien. Hier bewies Komoot, dass es genauso abenteuerlustig ist wie ich – allerdings nicht immer zu meinem Vorteil. Einmal schickte mich die App über einen Wanderweg, der so steil war, dass ich mein Fahrrad mehrere Kilometer schieben und teilweise sogar tragen musste. Mit 60 Kilogramm Gepäck war das kein Spaziergang. Immerhin bekam so der Oberkörper auch wiedermal etwas zu tun. Die Belohnung war dann eine Abfahrt durch einen märchenhaften Wald, wie man ihn sonst nur in Filmen sieht. Auf dem Weg nach Bled wurde ich dann von einem älteren slowenischen Pärchen zum Znacht bei ihnen zuhause eingeladen, obwohl ich eigentlich nur kurz fragen wollte, ob man das Brunnenwasser problemlos trinken könne. Wieder war ich total überrascht, denn in dieser Region gab es noch unzählige andere Velofahrer:innen. Die schweren Taschen, und wohl auch ein bisschen Mitleid, haben mich wohl von der Masse abgehoben.
Kroatien: Hitze, Verkehr und ein bisschen Frust
Kroatien war für mich eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Die Küstenstrassen, die (überfüllten) Altstädte und das Meer waren atemberaubend, doch der Verkehr und die plötzlich verschwundene Gastfreundschaft haben mich gefordert. Autos rasten mit minimalem Abstand vorbei, und ich war froh, dass mein Fahrrad und ich stabil blieben. Die Insel Pag, berühmt für ihre karge Schönheit, wurde zur Hitzekammer meiner Reise. Ohne Schatten und bei Temperaturen von über 45 Grad kämpfte ich mich durch die Landschaft. War natürlich auch eine super Idee, Im Juli/August im Balkan zu Velölen. Aber eben, war halt spontan. Die Preise für Campingplätze trieben mich fast zur Verzweiflung. Bis zu 75 Euro für einen steinigen Stellplatz? Nein, danke. Glücklicherweise fand ich einen kleinen Olivenhain am Meer, wo ich mein Zelt aufschlug. Ein Mojito an der Strandbar und der Blick auf die untergehende Sonne machten den Tag dann doch wieder perfekt.
Ein Moment in Kroatien werde ich nie wieder vergessen: Obwohl wir (hatte kurz vorher einen anderen Verrückten, Max aus Deutschland, getroffen – Taschen am Fahrrad verbinden einfach) extra um 5 Uhr (!) losgefahren sind, um der Hitze und dem Verkehr zu entkommen, fanden wir auf der wunderschönen Küstenstrasse vom Nationalpark des nördlichen Velebits quasi eine Autobahn vor. Unzählige Reisebusse und Autos voller Partyhungriger auf dem Weg nach Zrće Beach auf der Insel Pag. Fahrräder waren ihnen egal, was sie durch viel zu wenig Abstand und zu viel Geschwindigkeit auch gerne mal zeigten. Als wir dann aber dem Fährhafen näherkamen, verpuffte die ganze angestaute Wut blitzartig: Es staute sich über mehr als 6 Kilometer. Das Überholen der Blechschlange mit dem einen oder anderen schadenfreudigen Spruch auf den Lippen war eine absolut verdiente Genugtuung, von der ich bis heute Zehre.
Bosnien & Herzegowina und Albanien: Herzliche Überraschungen
Bosnien und Herzegowina war eine willkommene Abwechslung. Günstige Preise, weniger Verkehr, und eine unglaubliche Natur. Die Weiten und die Leere der Täler, denen ich auf einer alten Zugstrecke stundenlange folgte, werde ich nie wieder vergessen. Auch der Gleitschirmflug in Trebinje, für welchen ich den lokalen Piloten Zoran begleitet habe, war unvergesslich. Denn nicht ohne Grund hat er mich mit den Worten: «I hope you are not a beginner» am Startplatz begrüsst – anspruchsvoller, aber wunderschöner Flug und tolle Gespräche mit einem Local, der meine Leidenschaft teilt – was will man mehr. Ein kurzer Einschub zum Thema Wildcampen: Weil ich allein in der Natur einfach nicht so gut schlafe, zog ich oft Campingplätze vor – schon allein, weil Wildcampen in manchen Ländern verboten ist. Aber manchmal bleibt einem nichts anderes übrig, je nachdem, wo die Tagesetappe endet. Und ehrlich gesagt: Es gehört auch dazu, die Komfortzone zu verlassen.
Eine besonders „unruhige“ Nacht hatte ich eben in Bosnien. Müde vom Tag stellte ich mein Zelt an einem Abhang auf und setzte auf meine Noise-Cancelling-Kopfhörer – die perfekte Lösung für alle, die beim kleinsten Geräusch fast aus dem Schlafsack hüpfen (ganz ehrlich: Ich bin genau so jemand). Doch dann: Ein Traum, der erschreckend real wirkte. Ein Bär rollt mein Zelt wie einen schlecht gewickelten Burrito den Abhang hinunter. Panisch wachte ich auf, zählte meine Gliedmassen und überprüfte das Zelt. Alles da. Nur mein Schlaf – der war dahin. Wildcampen bedeutet, sich auf die nächtlichen Geräusche der Natur einzulassen. Sie werden irgendwann zur Hintergrundmelodie – aber es dauert, bis man sich daran gewöhnt. Geschichten über Schakale, die das Lager die ganze Nacht umkreisen, habe ich zum Glück erst am Ende meiner Reise gehört. Falls man sich sicherer fühlen will, hilft es, zu zweit unterwegs zu sein. Mein auf der Reise getroffener Kumpel Nico hatte da seine eigene „Strategie“: Im Bärengebiet schlief er mit Machete und Pfefferspray griffbereit. Die Vorstellung, wie er sich damit einem Bären stellen würde, hat mich gleichermassen beruhigt und amüsiert – zum Glück mussten wir nie herausfinden, ob sein Plan aufgegangen wäre.
Albanien & Nordmazedonien: Wilde Freiheit und fliegende Abenteuer
Albanien begrüsste mich mit offenen Armen – und Strassen, die kaum diesen Namen verdiente. Doch genau diese Herausforderungen machen den Reiz von Veloreisen aus. Die Landschaft war rau und wunderschön, die Menschen waren unglaublich hilfsbereit. In Shkoder fand ich mit Susan (78) und Chuck (80) über Warmshowers (Couchsurfing für Radreisende) ein Zuhause auf Zeit. Die beiden haben mehr als 60.000 Kilometer auf ihren Velo-Trikes zurückgelegt und schon über tausend Veloreisende wie mich beherbergt. Ihre Geschichten waren inspirierend, und ich fühlte mich, als würde ich bei alten Freunden übernachten. Zudem waren stets andere Radreisende dort zu Gast, mit denen man Routentipps austauschen oder gemeinsame Pläne schmieden konnte.
Zur Abwechslung verbrachte ich dann einige Tage zu Fuss in den «Albanischen Alpen», was ich wirklich empfehlen kann. Wunderschöne Landschaft und doch noch nicht ganz so voll mit Touris wie die Küste, die leider auch bald kaum in aller Ruhe geniessbar sein wird. Danach schloss ich mich zwei jungen Belgiern an. Zu dem Zeitpunkt war ich schon länger allein im Sattel unterwegs, warum ich dann den Umweg via Nordmazedonien (ihre geplante Route) gerne auf mich nahm. So spontan sein zu können, ist ein Luxus, den ich sehr schätze. Denn Skopje war schlussendlich eines meiner Highlights, welches ich mit fix vorgeplanter Route nie auf dem Schirm gehabt hätte.
Griechenland: Fliegen, kämpfen, ankommen
Griechenland bedeutete Fliegen und Strampeln bis an die Grenzen. Ich kämpfte mit dem 60-Kilo-Rad und der Hitze, aber die Aussicht auf die schwebenden Klöster von Meteora entschädigte für alles. Und dann, nach dem Aufstieg zu Fuss, flog ich von einem der Felsen – ein Gänsehautmoment, der mir zeigte, warum ich den Gleitschirm mitschleppe. Die Ankunft in Athen war ein bittersüsser Moment. Die letzten Kilometer waren ein Kraftakt: 125 Kilometer, steile Anstiege und ein 20km Umweg (10km hin, 10km wieder auf dem gleichen Weg zurück – autsch), weil Komoot keine Ahnung hatte, dass der Weg dort nicht mehr weitergeht. Nach all den Strapazen fühlte es sich unwirklich an, endlich da zu sein. Nach dem Rad auf dem Segelboot Die Reise war noch nicht vorbei. Nach Athen tauschte ich das Fahrrad gegen ein Segelboot ein.
Doch was soll ich sagen? Meine Beine, die über Wochen nichts als Pedale kannten, schmerzten noch kurz vom letzten Tag und wurden dann schnell sehr unruhig – sie vermissten die Bewegung. Irgendetwas hatte die monatelange Reise mit mir gemacht: Die tägliche Bewegung, das Gefühl von Freiheit und die Geschichten der Strasse – sie fehlten mir. Fahrradtouren machen süchtig, und ich weiss jetzt, dass das keine Floskel ist. Darum geht’s jetzt weiter nach Spanien.
Fazit: Einfach machen
Nach 3.500 Kilometern, unzähligen Höhenmetern und ebenso vielen Geschichten bleibt eine Erkenntnis: Osteuropa ist ein Paradies für Abenteurer. Die Menschen sind herzlich, das Essen fantastisch (als Vegi manchmal nicht ganz so einfach, but you’ll manage), und alles, was du brauchst, findest du unterwegs. Klar, der Verkehr ist manchmal chaotisch, und Komoot schickt dich auf abenteuerliche Pfade. Aber genau das macht den Reiz aus. Also, schnapp dir dein Fahrrad, lass die Zweifel zu Hause, und tritt in die Pedale. Der schwerste Teil ist der erste Schritt – und danach wirst du nie wieder zurückwollen.
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2 Kommentare
10. Januar 2025
Tolle Erfahrung! Ich bin einen Jakobsweg 2640 km. von Konstanz nach Santiago de Compostela in 30 Tagen gefahren. Wunderschöne Streckenführung, sehr gute, preisgünstige Herbergen (10-25 Eur./Nacht), sehr gute Verpflegung und immer tolle Leute. Siehe Internet: http://www.pilgerherberge-sg.ch Bestelle den Pilgerpass (für Zutritt in alle Pilgerherbergen in Europa) besuche mal den Pilgerstamm zu Deiner Info.
Buen camino wünscht: paul.schneider4@bluewin.ch
13. Januar 2025
Hey Paul
Besten Dank für deinen Kommentar und den tollen Routentipp! Beste Grüsse und weiterhin gute Fahrt, dein Veloplus-Team