Die Veloplus Kundinnen Nicole und Moana sind an ihrem Wohnort in Graubünden eigentlich eher auf dem Mountainbike anzutreffen. Für ihre Reise durch die Balkanländer haben sie auf das Bikepacking umgesattelt.
Reisebericht von Nicole und Moana
„Wovor hast du eigentlich am meisten Angst in Bezug auf diese Reise?“, fragte mich Nicole ein paar Wochen vor der Abfahrt. „Vor der Kälte“, kam es ohne zu zögern aus meinem Mund. „Und du?“ „Wohl eher vor den streunenden Hunden“, meinte Nicole. Wie sich herausstellte, wurde auf unserer Reise durchaus beides zur Herausforderung.
Doch der Reihe nach: Anfang Oktober war es soweit: Wir stellten unsere Mountainbikes ein und bepackten die Gravelbikes mit Saccochen, Zelt und Kochutensilien – sechs Wochen Abenteuer durch die Balkanländer bis nach Griechenland standen bevor.

Wir wissen heute nicht mehr genau, wie diese Idee ursprünglich aufkam. Klar ist: Wir sprachen bereits seit gut zwei Jahren davon. Uns schwebte eine Art Entdeckungsreise vor, da wir die Länder, die wir durchfahren würden, beide noch überhaupt nicht kannten. Zudem wollten wir uns mit der Reise durchaus auch selbst herausfordern: Nicht nur körperlich – das Velofahren sind wir uns gewohnt -, sondern auch mental. Heisst: Raus aus der Komfortzone, etwas komplett Neues machen, am besten abseits der touristischen Regionen, dafür mit möglichst viel Authentizität, Natur und auch etwas Abgeschiedenheit.
Die Sache mit der Kälte
Los ging es bei uns in den Bündner Bergen: Mit dem Albula- und Ofenpass hatten wir gleich zu Beginn zwei happige Etappen zu bewältigen. Dazu kam, dass der erste Schnee der Saison die Bergspitzen bereits weiss überzuckerte – betreffend Kälte wurden wir und unser Material also schon ein erstes Mal auf die Probe gestellt. Damals waren wir noch zuversichtlich – es ging ja immer südwärts und konnte daher nur wärmer werden, dachten wir.


Das mit dem südwärts stimmte natürlich und in Italien und Slowenien genossen wir vorerst nochmals spätsommerliche Temperaturen. In der Nähe von Venedig hüpften wir ins Meer, in Slowenien schleckten wir Glacé auf der Hafenmole. Doch spätestens in den kroatischen Bergen waren wieder Stirnband, Merinoshirts und Windjacke angesagt: Der kalte Wind blies wie verrückt, so dass wir teilweise Mühe hatten, uns überhaupt noch auf unseren Velos zu halten. Wir vermuteten, dass es sich um den berühmt-berüchtigten Bora-Wind handeln könnte: Ein Fallwind, der vor allem im Herbst und Winter von Bosnien über Kroatien bis nach Slowenien bläst.
Und immer wieder ruft der Berg
Von anderen Veloreisenden wussten wir bereits vor unserer Abreise, dass es insbesondere an der kroatischen Küste sehr viel Verkehr gab und kaum Umfahrungsstrassen. Uns zog es daher immer wieder Richtung Landesinnere ins Gebirge. Natürlich spielte auch unsere persönliche Vorliebe zur Bergwelt mit hinein: Hoch oben fühlten wir uns frei, genossen atemberaubende Aussichten und rohe Natur.
Wir staunten, wie bergig die Balkanländer sind und landschaftlich trotzdem grundverschieden: Während das Gebirge Kroatiens mitunter einer Steppenlandschaft glich, wähnten wir uns in den weiten Bergwäldern Bosniens eher wie im Indian Summer West-Kanadas. In Montenegro wiederum fielen die Felsen steil hinab bis ans Meer, und in Albanien wiederum fühlten wir uns teils wie in den Schweizer Alpen. Nur die vielen Ziegenherden, die stets von einem Hirten begleitet wurden – mit sonnengebräuntem Gesicht, die Kappe tief in die Stirn gezogen und einem Holzstock in der Hand -, erinnerten uns daran, nicht mit „Grüezi“ zu grüssen.


Durch unsere Abstecher in die Berge kamen viele Höhenmeter zusammen: Durchschnittlich erklommen wir 873 Meter pro Tag. Je nach Untergrund und mit dem ganzen Gepäck konnte das ziemlich anstrengend sein – die Reise durch die Balkanländer liesse sich mit einer anderen Routenwahl sicherlich deutlich vereinfachen.
Und trotz unserer Abstecher: Dem Verkehr konnten wir leider nicht immer entweichen. Insbesondere in Bosnien und Herzegovina fuhren wir oft auf Hauptstrassen, weil es schlicht und einfach keine anderen Verbindungen gab. Wir wurden im gefühlten Sekundentakt von Lastwagen und hupenden Autos überholt, dazu kamen Tunnels ohne Beleuchtung. Ein Glück, hatten wir die pinkenen Monsun-Regenjacken mit, die uns auf diesen Etappen nicht nur vor Wind und Regen schützten, sondern gleich auch noch als Leuchtwesten dienten. In Nord Mazedonien wurden wir schliesslich von einem Busfahrer auch noch als Organspenderinnen bezeichnet. Dieser Vergleich erschien uns dann aber doch etwas weit hergeholt.
„Welche Erfahrungen macht ihr als Frauen?“
Es mag an der Routenwahl liegen. Oder auch an der Jahreszeit. Fakt ist: Auf unserer Tour trafen wir nur wenige andere Veloreisende. In Albanien lernten wir schliesslich ein Paar aus Deutschland kennen. Auch sie waren Richtung Griechenland unterwegs. Die junge Frau bemerkte, dass wir das einzige Frauenteam seien, das sie bisher angetroffen hätten. Sie fragte uns, welche Erfahrungen wir in den Ländern gemacht hätten, da man in der Öffentlichkeit doch sehr wenige Frauen sähe?
Natürlich war uns das auch schon aufgefallen. Zum Beispiel sassen in den Cafés oft nur Männer. Wir setzten uns jeweils mutig dazu und ernteten zu Beginn etwas skeptische Blicke. Manchmal überwog dann die Neugier doch und wir wurden mit Händen und Füssen nach unserer Herkunft und unserem Reiseziel gefragt, uns wurde stets Hilfe angeboten und immer mal wieder Essen geschenkt.

Mit gutem Gewissen können wir sagen: Wir haben uns in allen Ländern sicher gefühlt, so zum Beispiel auch beim Wildcampieren. Man begegnete uns respektvoll, hilfsbereit und zuvorkommend. Und wir erfuhren eine Gastfreundschaft, die wir so nur wenig kannten.
Etwas anders sahen unser Besuch wohl die streunenden Hunde: Spätestens auf halbem Weg durch Kroatien lernten wir, dass wir mit Gut-Zureden nicht weit kamen. Wir wurden angebellt, verfolgt, uns fletschten Zähne entgegen und zweimal wurde nach unseren Saccochen geschnappt – glücklicherweise hielten die Donau-2 auch dem Stand. Wir lernten: Um die Hunde fernzuhalten, mussten wir sie anschreien, uns gross machen und ihnen gegenüber Dominanz zeigen – nicht gerade ein Verhalten, in dem wir beide geübt waren…
Unser Fazit? Velo packen!
Nach exakt sechs Wochen unterwegs, am 30. Tag auf dem Velo und mit 2‘560 Kilometern auf dem Navigationsgerät erreichten wir unser Ziel in Griechenland. Für uns beide war es das erste Mal so lange auf Veloreise. Bisher hatten wir beide alleine, aber auch zu zweit einige Erfahrungen mit Bikepacking gesammelt, allerdings fühlten wir uns auf dem Mountainbike stets deutlich mehr Zuhause als auf dem Gravel.
Diese Tour wurde dann auch zu einer sehr lehrreichen, aber auch überaus bereichernden Reise. Dankbar schauen wir auf die vielen Kilometer durch wunderschöne Landschaften, mehrere Gebirge, neun verschiedene Länder und diverse Kulturen zurück. Wir ergänzten uns gegenseitig und haben beide täglich neu dazugelernt.

Rückblickend würden wir die Reise wohl etwas früher starten – die kurzen Tage und die kalten Temperaturen machten uns spätestens seit dem Wechsel auf die Winterzeit zu schaffen. Anstatt das Zelt am Abend aufzuschlagen, mussten wir daher immer mal wieder in eine warme Unterkunft ausweichen.
Aber eben: Man lernt stets neu dazu, irgendeinen Weg gibt es immer, und zu zweit ist sowieso alles nur halb so schwierig. In dem Sinne, liebe Velofahrerinnen: Nur Mut, und los! Auf unserer Reise haben wir uns immer wieder gefragt, warum wir das eigentlich genau machten? Die Antwort darauf ist nicht ganz einfach, sie ist wohl eher ein Gefühl.
Es kam oft in den Bergen, mit dem Wind um die Ohren und einer Aussicht wie in einem Bilderbuch. Auch im Regen, wenn das frische Nass von allen Seiten spritzte. Oder am Abend, wenn hinter dem Zelt die Sonne unterging, alles still wurde und wir weit und breit die einzigen waren. Es ist das Gefühl, bei dem sich ein Strahlen auf dem Gesicht ausbreitet, das Herz pocht, alles ganz leicht wird, man laut aufatmet und am liebsten laut schreien möchte: „Ich lebe!“
Dieses Gefühl haben wir auf unserer Reise in einer Intensität erlebt, wie es im Alltag nur selten möglich ist. Es ist das Gefühl der Freiheit.

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