Veloplus-Kundin Nadin war gemeinsam mit ihrer Tochter auf einem grossen Veloabenteuer. Das Ziel? Mit dem E-Cargovelo von der Schweiz nach Dortmund fahren um dort zum Stadion vom BVB zu gehen.
In wenigen Augenblicken ist es so weit. Es sind nur noch ein paar Meter, ehe wir unser Ziel erreichen. Unzählige Male habe ich diesen Moment visualisiert. Gerade in den anstrengenden Momenten der Reise habe ich mir vorgestellt, wie meine Tochter Nora (4) und ich (33) an unserem Ziel beim BVB-Stadion, Signal Iduna Park ankommen. Nun ist es geschafft und die Gefühle überkommen mich. Ich bitte einen wildfremden Mann darum, ein Foto von uns zu machen und erzähle ihm ungefragt von unserer Reise. Hinter uns liegen rund 760km von Uezwil AG aus, die wir als Mutter-Tochter-Gespann in neun ganzen Tagen mit einem E-Lastenrad zurücklegten.

Die Idee ist die Planung
Von vorne: Die Idee zur Reise ist wenig inspirierend. Aufgrund eines Jobwechsels hatte ich etwas Zeit und ich war auf der Suche nach einem Abenteuer zusammen mit meiner Tochter. Da wir beide Lust auf Bewegung hatten, kamen wir auf die Idee, eine Fahrradreise zu machen. Wir halten uns für sportlich, jedoch kennen wir uns mit dem Fahrradfahren (noch) nicht aus. Eine kurze Internetrecherche zeigte, dass sich die Rheinradroute für Anfänger/innen eignet. Wie passend, dass unser Lieblingsfussballverein und die Familie meines Mannes quasi auf der Route liegen. Hiess für uns: Von unserem Zuhause Uezwil AG nach Rheinfelden finden, entlang des Rheins bis nach Köln und die letzten Kilometer nach Dortmund via Wuppertal. Dotiert mit etwas unter 700 Kilometern und unserem Zeitbudget von maximal 14 Reisetagen hielten wir unsere Reise trotz fehlender Erfahrung mit dem Ziel von 50 Kilometern pro Tag per E-Lastenrad für machbar. Fertig – das war die Routenplanung.

Eine andere Geschichte war die Planung der Ausstattung. Bis zu dieser Reise verbrachte ich wenig Zeit auf dem Sattel. Ich hing mich voll rein und musste Vieles erst lernen. Ich war bereit, die Velowelt zu entdecken. Bis zum Aufbruch machte ich mit dem Helm, dem Akku, dem Bepacken, dem Navigieren u. v. m. vertraut. Jede noch so kleine Distanz wurde ab dato mit dem Cargobike bewältigt, um Routine zu bekommen. Hinzu kam, dass meine Tochter ein Wildfang ist und vor ihr viel Zeit in einer komfortablen, aber begrenzten Kabine stand. Zusammen mit meiner Familie statteten wir das E-Lastenrad aus. Meiner Tochter wurde z. B. ein Tischchen zum Malen gebastelt, ein Fähnchen für mehr Sichtbarkeit wurde angehängt, Getränkehalter für unterwegs angebracht, Rückspiegel installiert, das Regenverdeck optimiert usw.

Wind und Wetter
Für die Reise haben wir uns bewusst für den Sommer entschieden. Da wir hauptsächlich dem Rhein entlang fuhren, wollten wir uns ausgiebig Zeit nehmen, um an den Rheinufern zu planschen und sahen uns auf Spielplätzen picknicken und Biergärten rasten. Einige Wochen vor der Reise habe ich meine Auswahl u. a. für die Regenbekleidung Monsun mitten im Sommer noch hinterfragt. Ich befürchte, ich habe es heraufbeschworen, denn für den Reisestart war windiges Regenwetter angesagt und auch die Folgetage zeigten nichts anderes. In den letzten Tagen vor dem Start setzten wir uns somit noch mit Windstoppern, Regenschutz für die Schuhe und den Helm usw. auseinander. Wir wagten es dennoch. Wir radelten bei strömenden Regen los und dieser begleitete uns an jedem unserer neun Reisetage. Anfangs angetrieben von Euphorie legten wir an Tag zwei von Basel nach Kehl bei Strassburg 142 km im Regen zurück. Zugegebenermassen schwand die Euphorie insbesondere in der Mitte der Reise und es gab Tage, an denen wir nur knapp 30 km durch den Regen schafften. Unsere Erkenntnis ist, dass wir mit der richtigen Ausrüstung grundsätzlich bei jedem Wetter radeln können. Ob es leicht nieselte oder aus Eimern schüttete: Wir blieben trocken. Ich bin auch der Meinung, dass wir „dank“ des Regens bereits nach neun Tagen angekommen sind. Das Planschen fiel aus und die Biergärten und Spielplätze sind bei Regenwetter nicht einladend. So war es oftmals Ziel, rasch möglichst von A nach B zu gelangen.

Verflixter Montag
In Eggstein-Leopoldshafen an Tag vier war es. Die Fahrradwege waren schlammig und teilweise mit dem Cargobike nur schwer zu befahren. Zudem zog uns ein kräftiger Wind um die Ohren. Auf die Strassen abseits des Rheinufers zu wechseln war keine Option. Wieder begann der Tag in strömenden Regen. Dieses Mal hatten wir keine gedeckte Unterkunft fürs Bike und wir mussten den Drahtesel im Regen packen. Rund eine halbe Stunde benötigten wir bis wir startklar waren. Wir erhielten den Tipp, dass die Fahrradwege auf der anderen Rheinseite besser befahrbar sind und planten die Route kurzerhand um. Beim Fährhafen angekommen, mussten wir feststellen, dass die Fähre heute nicht fuhr. Montag ist Ruhetag. Wir fuhren also weiter dem Rhein entlang Richtung Speyer, da wir gemäss Karte nach rund 15km eine Brücke erahnten. Nach ca. 10km entlang des Rheins begegneten wir zwei freundlichen Spaziergängern, die uns verrieten, dass der eingeschlagene Weg in einer Sackgasse enden werde. Der Rhein sei über die Ufer getreten. Uns blieb nichts anderes übrig, als die soeben gefahrene Strecke zum Fährhafen zurückzufahren und einen Umweg fernab vom Rhein zu fahren. Zu allem Übel blieben wir noch in einer der unzähligen matschigen Pfützen stecken und kippten samt Gepäck. Zudem fiel der Riemen raus. Erst behielt ich Ruhe, denn mein Papa hat mir doch noch das 1×1 der kleineren Reparaturen gezeigt. Im strömenden Regen, mit ungeduldigem Kind auf der Seite, durchnässt und mit Gepäck beladen ist dann das doch eine andere Sache als zu Hause in der Garage. Auch diese Situation haben wir überwunden und rückblickend überwiegt stolz.


Mutter-Kind-Abenteuer
Wir wollten ein Abenteuer und genau das haben wir bekommen. Normalerweise ist unser Alltag geprägt durch Strukturen und wir haben beschlossen, diese für die Veloreise aufzugeben. Wir übernachteten in Pensionen (oftmals via bett+bike gefunden), Airbnbs oder einfachen Hotelzimmern. Vorab haben wir nichts gebucht und während meine Kleine über den Mittagshalt in einer Trampolinhalle rumhüpfte, ihr Mittagessen verschlang oder einen Spielplatz unsicher machte, kümmerte ich mich online um die Unterkunft für den kommenden Abend. An einem Tag habe ich nicht bemerkt, dass mein Handyakku nicht lud. Unverhofft standen wir irgendwo im Nirgendwo ganz ohne Navigation o. Ä. da. Eine Powerbank hatte ich nicht im Gepäck. Glücklicherweise begegneten wir Menschen, die uns den Weg wiesen. Ein anderes Mal buchten wir eine Unterkunft, die nicht mehr existierte. Wir musste kurzerhand und dies ziemlich spät am Abend eine neue Unterkunft finden. Die Reise stand ganz im Zeichen: Raus aus der Komfortzone – doch nicht nur für mich, auch meine Vierjährige musste über ihren Schatten springen. Es ist erstaunlich, wie sehr die Kleinen über sich hinauswachsen. Ich habe mir geschworen, dass wir umgehend abbrechen, sollte meine Tochter keinen Spass mehr daran haben. Rausgekommen ist es nochmals anders. Vielmehr war sie mein Antrieb, meine Motivation. Jeden Tag aufs Neue suchte sie mit mir die Veloschilder von Eurovelo 15. Wir stürzten uns in dieses Abenteuer im Wissen, dass wir scheitern können. Das Abenteuer schweisste uns noch mehr zusammen und gab mir Vertrauen in mich, noch mehr in meine Tochter und in meine Umwelt.


Rhein – fall?
Nebst all den Hürden ziehe ich eine positive Bilanz. Ja, richtig gelesen. Ich bin jetzt kein Velocrack und werde es wohl nie sein. Aber mich hat das Velofieber schon etwas gepackt und ich freue mich jetzt schon auf meine nächste Reise. In meinen Alltag werde ich mehr Zeit auf dem Fahrrad einplanen. Mein Hinterteil hat die ersten drei Tage gebrannt, was nicht an der ausgezeichneten Velohose von Veloplus lag. Meine Schmerzen sind eher der fehlenden Gewohnheit und dem mangelnden Bikefitting zuzuschreiben. Auf meinen Handoberflächen strahlten abwechselnd Frostbeulen und Sonnenbrand. Fürs nächste Mal gibt es ein paar Handschuhe für mich – auch im Sommer. Von der Reise nehme ich die vielen durchweg positiven Begegnungen mit. Am Tankstellenshop in der Nähe von Bingen am Rhein schenkte uns ein Mitarbeiter den gesamten Einkauf, nachdem wir ihm von unserer Reise erzählten. In St. Goar im Tal der Loreley nahm ein Mann viel Aufwand auf sich, um uns das verloren gegangene Portemonnaie zurückzubringen. Das sind eben die Momente, die man Zuhause nicht erlebt. Vor der Reise dachte ich, dass es eine körperliche Frage wird. Letzten Endes muss ich sagen, dass es eine mentale Frage wurde. Es lohnt sich, mutig zu sein. Es lohnt sich, mit dem Fahrrad unterwegs zu sein. Es lohnt sich, neue Orte zu entdecken und kurzzeitig dem Alltag zu entfliehen. Der Lohn ist ein Rucksack voller Selbstvertrauen, Zuversicht und neue Energie.

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