Offline ans Nordkap

Veloplus-Kunde Luca Maass hatte ein ambitioniertes Ziel. In Zwei Wochen von Oslo ans Nordkap – und das OHNE Handy und Navi und nur mit einem Kompass und Offline-Karte. In seinem Reisebericht beschreibt Luca seine ganz besondere Reise ohne technische Hilfsmittel.

Am Ende dieses Reiseberichts findet ihr die Video-Doku, die Luca zu seinem Nordkap-Projekt gemacht hat. Es freut uns sehr, dass wir dieses besondere Projekt unterstützen konnten.

Reisebericht von Luca

Schon seit einer Weile träumte ich davon, mit dem Velo ans Nordkap zu fahren. Nur leider ist das ganze nicht allzu gut mit einem Vollzeitjob mit fünf Wochen Ferien im Jahr zu vereinbaren. Aber man kann ja auch einfach schnell fahren! Und so war die Idee geboren: 

In zwei Wochen von Oslo ans Nordkap; und weil das noch nicht genug ist, auch gleich noch ohne Handy! 

Singen im Niemandsland

Wie schlägt sich denn ein 24-Jähriger, der mit Smartphone aufgewachsen ist mit Karte und Kompass? Wird die Einsamkeit oder die Dauerbelastung zum Verhängnis? Und was soll ich machen, wenn ich keine Musik hören kann – etwa Singen? 

Ja genau, singen! Und so finde ich mich mitten im schwedischen Niemandsland wieder, wie ich ein Lied über die Schnellstrasse E45 dichte. Die Tage davor waren hart. Untrainiert 140 km am Tag sind zwar machbar, aber nicht leicht. Vor allem nicht, wenn einem die ganze Zeit der Wind um die Ohren pfeift. Dass der Wind von vorne kommt, muss ich nicht erwähnen, oder? Aber so richtig spassig ist es ja erst, wenn es dazu auch noch regnet – und die Regenjacke undicht ist… So ein Mist!

Malerische Landschaften.

Eine Reise für einen guten Zweck

Aber genug gejammert! Jetzt gerade ist alles schön. Die Sonne scheint und ich singe vor mich hin, bin gut vorangekommen, leicht vor dem Zeitplan. Das sollte ich auch sein, denn schaffe ich das Ganze nicht in 14 Tagen, so muss ich CHF 1000.- spenden, schaffe ich es aber spendet mein Umfeld noch viel mehr an ein Projekt im Regenwald – frei nach dem Motto “Was gisch mr, wennis schaff”.

Reisebekanntschaften unterwegs.

Die nächsten Tage machen Freude und ich komme gut voran, meist 160 km oder mehr am Tag. Mal schlafe ich draussen, mal im Hotel und ich esse viel, am liebsten Pizza und Snickers. Die traumhafte nordische Natur, das Offline-sein sind Balsam für die Seele und Begegnungen mit anderen Reisenden beflügeln mich. Sei es der ehemalige Bundeswehrsoldat, der mit seinem Hund nun durch Europa tourt oder der Triathlet, der mit seinem Fahrrad erst vor etwa fünf Wochen in Spanien losgefahren ist oder der Holländer der durchs Radreisen seine Depression geheilt hat und nicht nur keinen Helm trägt, sondern gar nicht erst einen dabei hat. Man trifft sich, tauscht sich aus, witzelt, philosophiert – bis man sich dann schon bald wieder Lebewohl sagt und sich wohl nie mehr wieder begegnen wird.

Bei einer Pizzeria (wo auch sonst?) wird mir erzählt, dass ein Italiener gerade mit seinem Hochrad auf dem Weg ans Nordkap ist. Ja genau, dieser antike Drahtesel mit dem grossen Vorderrad. Von Sizilien. Ans Nordkap. Und ich dachte, was ich mache sei verrückt. Den würde ich echt gerne treffen! 

Weit und breit keine Menschenseele.

Einsamkeit und Selbstzweifel

Bald schon erreiche ich nach einem kurzen Abschnitt durch Finnland die norwegische Grenze. Mittlerweile habe ich schon über einen Tag Vorsprung und die Idee, zwei Tage vorher anzukommen, nistet sich in meinem Kopf ein. Nachdem mir bei der Übernachtung auf einem verlassenen Campingplatz das erste Mal so richtig die Einsamkeit und Selbstzweifel zu schaffen gemacht haben, muss ich mich schon wieder durch den Gegenwind kämpfen. Kurz vor Alta trenne ich mich von meiner mittlerweile liebgewonnenen E45.

In der Stadt selbst kehre ich – wie sollte es anders sein – mal wieder in einer Pizzeria ein. Vor dem Laden wartet ein Hochrad auf den zugehörigen Massimo, der mit zwei anderen Radlern am Tisch sitzt und gerade ohne Hilfe eine ganze Familienpizza verdrückt. Ich geselle mich dazu und wir erzählen uns von unseren Abenteuern. Von Dumpster-Ausbeuten, lustigen Begegnungen, schönen Übernachtungsplätzen aber eben auch wie man ein Hochrad über den Brennerpass schiebt. Bereits 5000 Kilometer ist Massimo schon mit seinem Hochrad unterwegs. Er warnt mich, dass es morgen heftig stürmen sollte.

Der Norden ist rau und das kann gefährlich werden – Also entschliesse ich mich zu meiner Sicherheit, die Nacht durchzufahren, dann komme ich noch vor dem Sturm am Nordkap an. Es ist ja sowieso hell und vorsorglich habe ich mir noch zwei Energydrinks gekauft. Kann ja nichts schiefgehen. Und was würden alle staunen, wenn ich schon nach 11-einhalb Tagen mein Handy anschalte und ein Bild vom Nordkap-Globus teile! 

Mystische Sonnenuntergänge.

Eine Fahrt durch die nächtliche Tundra

Also fahre ich durch die Nacht. Nur mein Velo und ich auf leeren Strassen in der nordischen Tundra. Eine unglaubliche Stimmung! Gut eingepackt mit fast all meinen Schichten kämpfe ich mich durch Wind und Nieselregen. Es fühlt sich an wie in einem Abenteuerfilm, ich liebe es! Genau dieses Gefühl. Das Gefühl von Leben –  Nicht dieses langweilige, in Watte gehüllte Alltagsleben, sondern das Gefühl von kaltem Wind und Regen im Gesicht, von Müdigkeit, Hunger und Anstrengung, dafür kaum Gefühl in den Füssen – auch zwei Paar Socken reichen nicht aus. Gegen 1 Uhr entschliesse ich mich, eine kurze Nudelpause zu machen. Der Wind wird stärker, der Regen auch. In Olderfjord, einem kleinen Örtchen an der Küste, finde ich eine überdachte E-Auto-Ladestation. Wegen des starken Windes werde ich trotzdem nass. Egal, Nudeln kochen, in den Mund stopfen und weiter im Text! Soweit der Plan, bis dann plötzlich ein Hündeler vorbeikommt und mich fragt, ob ich nicht reinkommen will. Lange überlegen muss ich nicht und plötzlich sitze ich frisch geduscht in der warmen Stube und bekomme etwas zu essen. Zwei Nächte soll ich bleiben, schliesslich stürmt es ja gerade.

Angekommen am Ziel.

Der Pausentag tat gut und wieder sitze ich im Sattel, wieder windet es von vorne, aber weit ist es nicht mehr. Der schaurige 7 km lange Nordkaptunnel ohne Veloweg ist überstanden, die letzten Snickers verspiesen. Die beiden Pässe kurz vor dem Nordkap fahren sich von alleine – zu gross ist die Euphorie, um Anstrengung zu empfinden. Ich kann es kaum glauben. Plötzlich stehe ich vor dem Globus. Ich habe es geschafft! 

Die Doku dazu könnt Ihr Euch gerne auf meinem Youtube-Kanal ansehen:


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