Bikepacking-Abenteuer in Norwegen

Veloplus-Kundin Mo Ducommun war alleine auf einer grossen Bikepacking-Tour im Norden Norwegens. In ihrem Reisebericht schreibt Sie über ihre Erlebnisse und die speziellen Momente bei Solo-Reisen.

«Je weiter ich kam, desto mehr Vertrauen gewann ich, dass sich schon alles so ergeben würde, wie es muss.»

Reisebericht von Veloplus-Kundin Mo Ducommun

Bikepacken zu den Lofoten, das war der Traum. Das stand auf meiner Bucketlist. Nicht direkt, dass ich da mit dem Velo hinwill aber zu den Lofoten Inseln ganz bestimmt. Da ich nie einen Führerschein gemacht habe, jedoch eine begeisterte Velofahrerin bin, wurde mir Ende letzten Jahres dann klar, dass ich mir diese Reise mit dem Fahrrad vornehmen werde. Für mich stand von Anfang an fest, dass ich dies als Solo-Tour machen werde, auch wenn ich mir im Vorfeld natürlich den Kopf darüber zerbrach wie das wohl sein wird. Ich, nicht mal 1.60 grosse, kleine blonde Frau. Ausserdem alleine mit einem so schweren Fahrrad durch Norwegen, bei Wind und Wetter. Aber ich wurde motiviert und inspiriert von einigen Alleinreisenden Frauen, die ihre Solo Bikepacking Erfahrungen auf YouTube teilten. So dachte ich mir, das will ich auch schaffen. Über meine Grenzen hinaus gehen und daran wachsen.

Die Reise Beginnt

Aber nun von Anfang an: Nachdem ich ein halbes Jahr nur für diese Reise gearbeitet, gespart und meine Freunde mit meinen Ideen genervt habe, ging es am 24. Juli dann endlich los. Mein geliebtes SURLY Straggler Gravel Bike in Teilen zerlegt und all meine Taschen, Zelt, Schlafsack und weitere Ausrüstung verpackt in einer riesigen, schweren Velokiste. So ging es an den Flughafen Zürich und von dort via Amsterdam nach Trondheim. Da stand ich nun am Trondheimer Flughafen, ganz alleine, mit der riesigen Kiste. Ich pfiff mir sogleich ein Taxi mit einem kräftigen Chauffeur zur Hilfe. Der hat mich und die Box vom Flughafen in die Innenstadt befördert, wo ich im Vorfeld ein Hotelzimmer gebucht habe für die erste Nacht. Im Zimmer konnte ich dann mein Surly wieder zusammenbauen und alle Taschen montieren, so dass ich bereit war, am kommenden Morgen meine Bikepacking reise zu starten.

Entwicklung einer Reiseroutine

Mein erstes Zwischenziel war Bodø. Von da würde ich dann die Fähre nehmen zu den Lofoten. Dort wartete bereits eine liebe Familie auf mich, welche ich im Vorfeld kennenlernte habe und die mich für eine Nacht beherbergen würden. Von Trondheim bis Bodø lagen nun die ersten knapp 800 Kilometer und einige Höhenmeter vor mir. Ich war mega aufgeregt!

Wie fährt es sich dann wirklich mit dem ganzen Gepäck am Fahrrad? Wie weit werde ich kommen und wo werde ich überhaupt schlafen heute Nacht, so ganz alleine? Je weiter ich kam, desto mehr Vertrauen gewann ich, dass sich schon alles so ergeben würde, wie es muss. Nach knapp 80 Kilometer hatte ich einen perfekten Platz an einem Fjord gefunden, wo ich auf andere Reisende traf und wunderbare Gespräche bis spät, in die nie dunkelwerdende Nacht führte.

Die erste Übernachtung in meinem Hubba NX1 Zelt.
Meine Bialetti war jeden Tag im EInsatz.

Die erste Übernachtung in meinem Zelt war zwar eher kalt, aber prima. Mein Zuhause für die nächsten 30 Tage war das Hubba NX1 von MSR. Ein kleines, leichtes Einfrau Zelt, in welchem ich mich sehr wohl und Zuhause fühlte. In meinem Reisegepäck befand sich auch das wohl kleinste und leichteste Bialetti überhaupt und es wurde ausnahmslos jeden Morgen mit frisch aufgebrühten Kaffee in den Tag gestartet. Auch an diesem ersten Morgen meiner Reise, so dass ich gestärkt mein Lager zusammenräumen konnte, meine Wasserflaschen am naheliegenden Bach auffüllte und alles wieder an meinem Fahrrad verstaute. Zu Beginn war ich noch etwas «unbeholfen». Welche Tasche wird zuerst beladen, was wird zuerst am Fahrrad fixiert, gestern hat’s doch auch Platz gehabt?! Gegen Ende meiner Reise wurde ich da richtig «schnell» und alles hatte seinen Platz.

Die Belohnung für die Anstrengung

Ich fuhr los, weiter in bestem nordisch-sommerlichen Wetter. An Fjorden entlang, über Hügel und durch Wälder. Auf der linken Seite sah ich Bäume, Wald, Felsen und rechts war ein langer Arm vom Nordmeer. Ich sah Fischerhäuschen und Muscheln am Strassenrand. Hinter jeder Kurve erwartete mich die neue Schönheit, dieser einmaligen Natur Nordnorwegens und diese machte mich trotz immenser Anstrengung so glücklich und zufrieden.

Idyllische Übernachtungen in der Natur Norwegens.

Zu Beginn war jeder Hügel – und davon gab es einige – so unglaublich anstrengend für mich. Ich war es nicht gewohnt mit einem so schweren Fahrrad so viele Höhenmeter zu trampen. Für mich war es die erste Bikepacking Reise in diesem Stil. Mehrere Wochen mit kompletter Ausrüstung unterwegs zu sein. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ein anderes Land mehr Höhenmeter zu bieten hat als meine Heimat die Schweiz – denkste. Aber jeder noch so anstrengende Aufstieg verspricht ja auch immer eine wunderbare Aussicht und eine noch bessere Abfahrt.

Reisebegegnungen

Auf meinem Weg kamen mir so viele Radreisende entgegen. Und auch ich war plötzlich nicht mehr alleine unterwegs. Bereits am dritten Tag traf ich bei einer Pause, an einem Fjord, auf Patrick aus Wien. Er war mit seinem Liegerad Richtung Nordkap unterwegs und hatte schon einiges an Kilometern im Gepäck. Wir fuhren dann ca. vier Tage zusammen, da die Richtung für uns beide dieselbe war. So beschlossen wir, zusammen zu radeln und zu campen. Meistens suchten wir uns im Vorfeld einen Camping Platz aus und trafen uns dann da. Wir kochten zusammen und begegneten unterwegs noch anderen Radreisenden, welche uns für ein paar Kilometer oder eine Nacht auf dem Campingplatz begleiteten. Und schneller als ich dachte, war ich da. An meinem grossen Zwischenziel in Bodø!

Mit Patrick (rechts) fand ich einen Weggefährten, der mich längere Zeit begleitet hat.

Von da an war es nicht mehr weit zu den Lofoten und ich realisierte, dass ich noch sehr viel Zeit übrig hatte um mir weitere Ziele zu stecken. Ich hatte mich also entschlossen meinen Rückflug von Tromsø zu buchen. Mir wurde bewusst, dass ich es bis dorthin ohne weiteres schaffen würde, obwohl ich es mir im Vorfeld nicht als zu grosses Ziel vornehmen wollte. Doch zuerst ging es jetzt mal mit der grossen Fähre von Bodø rüber zu den Lofoten Inseln. Vier Stunden dauerte die wellige Überfahrt.

In Moskenes angekommen erwartete mich bereits Eric, ein Radreisender aus Deutschland, welcher ich noch auf dem Festland kennengelernt habe. Wir fuhren von Moskenes bis ganz nach unten, nach Å und von da wieder Nordwärts zum Lofoten Beach Camp. Dort verbrachten wir zwei Tage und zwei Nächte. Aus meinem geplanten «Pausentag» wurde dann irgendwie ein Wandertag und ich holte mir den ersten und einzigen Muskelkater überhaupt auf meiner Reise.

Ich wanderte einen Berg hoch der gleich neben dem Lofoten Beach Camp aus dem Meer ragte. Es war wunderbar diese faszinierende Landschaft auch mal von Oben und zu Fuss zu erleben. Ich glaube, es gibt für mich nichts schöneres als Berge die aus dem Meer ragen. So wild und rau. Weisse Sandstrände und spitze Felsen wohin das Auge reicht und ich mittendrin ganz alleine und doch nie alleine mit meinem Fahrrad und Camping Gepäck, weit weg von Zuhause. Ich hatte es geschafft! Den Punkt Lofoten Islands konnte ich von meiner Bucketliste streichen und mir neue Ziele vornehmen. Das nächste ist also Tromsø. Die nördlichste Stadt Europas. Das wird meine finale Destination und ich habe genug Zeit die Reise dorthin gemütlich anzugehen und alles so richtig zu erleben und zu geniessen.

Ein ganz spezieller Ort

So verabschiedete ich mich von Eric, der wieder südwärts fuhr und machte mich alleine weiter Richtung Norden. So ein «Abschied» eines Wegbegleiters war für mich doch auch immer wieder emotional. Wieder ganz alleine zu sein, brauchte immer wieder ein bisschen Eingewöhnungszeit, wenn auch nur zu Beginn. Meine Reise ging weiter und ich liess die Lofoten hinter mir. Ich durchfuhr die wunderschönen Vesterælen, gönnte mir auch mal ein Hotelzimmer, wenn das Wetter wirklich grauslich wurde und ich mich nach dem Komfort eines weichen, warmen Bettes sehnte.

Kurz vor Andoya, nach schon knapp 80km auf dem Buckel realisierte ich, dass dort weit und breit kein Camping oder eine andere Möglichkeit für eine «sichere» Übernachtung für mich alleine war. Dies machte mich schon etwas nervös. Im «ganz-alleine-wildcampen» war ich ja doch noch nicht so geübt. Ich versorgte mich also beim einzigen Supermarkt mit genug Essen. Der flotte Herr an der Kasse füllte mir auch alle meine Wasserflaschen auf. So machte ich mich auf, bei fast 30 Grad, um mir meinen «Safeplace» zu suchen für die Nacht.

«Dieser Platz ist auch heute noch der, welcher für mich am meisten Bedeutung hat, wenn ich an meine Reise zurückdenke.»

Die Gegend war atemberaubend schön und bei einem riesigen weissen Sandstrand, eingebettet zwischen hohen Bergen, entdeckte ich doch tatsächlich das Liegerad von Patrick. Durch eine Panne an seinem Fahrrad, hatten sich unsere Wege noch vor Bodø getrennt und so traffen wir uns wieder. Wir beschlossen unsere Zelte in der Nähe vom Strand aufzuschlagen. Wir wurden mit dem schönsten Sonnenuntergang und gemeinsamen kochen in guter Gesellschaft belohnt.

Patrick fuhr am nächsten morgen weiter. Da ich keine Eile hatte und der Campspot an diesem magischen Ort einfach perfekt war, beschloss ich eine weitere Nacht alleine hier zu bleiben. Ich verbrachte den Tag am Strand und hatte meinen ersten Schwumm im kühlen Nordmeer. Ich beobachtete die Krebse und sammelte Muscheln und Korallen. Danach fuhr ich nochmals zum Supermarkt um mir wieder meine Wasservorräte aufzufüllen. Es war wunderbar und auch die Nacht überstand ich ganz gut. Tatsächlich fiel es mir am nächsten Morgen schwer von dort weg zu gehen. Dieser Platz ist auch heute noch der, welcher für mich am meisten Bedeutung hat, wenn ich an meine Reise zurückdenke. Ich trank meinen Kaffee, packte mein Camp zusammen und fuhr los, weiter zur nächsten Fähre, weiter zur nächsten Insel, weiter zu neuen Abenteuern.

Viele Höhenmeter und wenig Zivilisation

Andoya durfte ich als nächstes durchfahren. Die Westküste war wunderschön. Der weite Blick aufs offene Meer war gewaltig. Auch dort durfte ich einen traumhaften Wildcamping Spot am Strand beziehen. Es erwarteten mich einen einmaligen Sonnenuntergang und eine Nacht, welche mit blöckenden Schafen an meinem Zelt im Morgengrauen endete

Auf der Überfahrt von Andoya nach Senja war plötzlich grosse Aufregung auf dem Deck der Fähre. «Whales, Whales!» rief der eine und alle drängten sich auf die backbord Seite an die Reling, um die grossen Tiere zu sehen. Ich habe zwei riesige Wale gesehen. Zum ersten Mal. Unglaublich! Auch die Aussicht von der Fähre auf die grossen Berge der Insel Senja war spektakulär. Ich wusste, dass dort viel Natur, viele Höhenmeter und wenig Zivilisation auf mich warteten. Was einerseits genau das war, was mir am meisten entsprach und gefiel, mich jedoch auch etwas nervös machte.

Als die Fähre anlegte war ich begeistert von der Schönheit der Insel und radelte sofort motiviert los. Durch den ersten Tunnel, über Brücken, vorbei an stilvollen Rast-Toiletten. Ich fand mich plötzlich an einem nicht enden wollenden Pass wieder. Die damit verbundenen Strapazen verlangten nach Campingplatz und heisser Dusche, anstelle von Wildcampen am Strand. Dies stellte sich dann aber auch als grosses Glück heraus, denn auf dem Campingplatz lernte ich die Französin Céline kennen. Wir haben uns sofort prächtig verstanden und waren von da an gemeinsam Unterwegs.

Den folgenden Tag verbrachten wir am Strand und versuchten uns im fischen mit Célines Fischerrute. Dies blieb leider ohne Erfolg, aber wir hatten viel Spass. Den nächsten Tag bewältigen wir zusammen im strömenden, kalten Regen und radelten weiter zu einem weissen Sandstrand in Sommaroy. Dort schlugen wir wieder unsere Zelte auf. Das Wetter wurde rauer, kühler. Nun war ich nicht mehr weit von Tromsø entfernt, welches auch das Ziel von Céline war. Nur hatte ich noch so viel Zeit, dass ich dachte, ich bleibe noch eine Nacht in Sommaroy und fahre danach noch weiter Nordwärts, vorbei an Tromsø.

So verabschiedete ich Céline, welche bereits ihr Hostel in Tromsø gebucht hatte und ich war wieder alleine. Das Wetter wurde zunehmend kälter und schlechter und ich wusste, Nordwärts würde noch mehr wilde Natur und wenig Zivilisation auf mich warten. Der Wetterbericht verhiess nichts gutes. Nach einer stürmischen, kalten Nacht an meinem Wildcamping Spot am Strand, beschloss ich bei meinem Morgenkaffee den Weg Richtung Tromsø einzuschlagen und somit fast eine Woche früher an meinem Ziel zu sein. Dies bedeutete, dass ich Céline noch einmal sehen konnte, dass ich fast sechs Tage die nördlichste Stadt Europas entdecken kann, und mich meine Mama ganz spontan für die letzten 3 Tage besuchen und abholen würde.

Die letzten Kilometer meiner Reise

So fuhr ich los und die letzten knapp 60 Kilometer bis nach Tromsø konnten nicht schöner sein. Die Strecke war so schön wild und einsam und das Wetter war zwar kalt aber immerhin nicht mehr regnerisch. Und da war es vor mir, mein grosses Ziel. Über eine grosse Brücke um auf die Insel Tromsoya zu kommen und ich war da, in Tromsø wo Céline bereits im Hostel auf mich wartete.

Nach 1400 Kilometern und 12500 Höhenmetern erreichte ich mein Ziel, welches ich mir einst nicht vorzunehmen getraute und dies eine Woche vor meinem geplanten Rückflug. Nun erwarteten mich drei Tage Erholung im Hostel und Sightseeing in der Stadt und danach drei Tage mit meiner Mama in unserem Airbnb, entspannen und meine Rückreise planen. Es galt eine grosse Kartonbox für mein Fahrrad und ganzes Gepäck zu organisieren und mein Fahrrad auseinander zu bauen.

«Ich realisierte wie alle Ängste, Unsicherheiten und Zweifel die ich im Vorhinein meiner Reise hatte, sich einfach nach und nach im Nichts auflösten.»

Dies war deutlich schwieriger als gedacht, denn es war bereits Ende Saison. Man konnte den Winter fast schon riechen und das schon Ende August! In den ersten vier Fahrradgeschäften waren keine Boxen mehr verfügbar. Alles was für mich noch übrig war, war die grösste Kartonbox, welche ich je in meinem Leben gesehen hatte. Also musste ich diese im AirBnB zurechtschneiden und hoffen, dass es mein Fahrrad unbeschadet zurück nach Zürich schaffen würde. Am morgen vom 23. August ging es dann mit einem grossen Taxi und meiner Mama an den Lufthaven Tromsø. Nach einem Zwischenstopp in Düsseldorf erreichten wir Zürich, wo wir beide von unserer Familie empfangen wurden.

Nun war es vorbei, mein grosses Abenteuer auf zwei Rädern in Nord-Norwegen. Zurück in der Schweiz, in der Stadt, im Alltag. Ich realisierte wie alle Ängste, Unsicherheiten und Zweifel die ich im Vorhinein meiner Reise hatte, sich einfach nach und nach im Nichts auflösten. Wie ganz andere Dinge relevant wurden, wie ich meine Grenzen überwand und an ihnen wachsen konnte. Mir gefiel dieses Leben «on the road». Nicht genau zu wissen, was einem als nächstes erwartet, den Gegebenheiten ausgesetzt zu sein und das beste daraus zu machen. Das alles im wohl besten Reisetempo, in welchem man wirklich alles erleben und sehen kann.

Danke an Veloplus für die Unterstützung bei dieser Reise!

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