Veloplus-Kunde Andreas Arnheiter war auf einer Bikepackingtour in den Süden. Der 35-jährige Hobbyrennvelofahrer erzählt in seiner Reisestory über sein Abenteuer und wie er sich darauf vorbereitet hat, inklusive Packliste, Do`s und Dont`s sowie wertvollen Tipps für alle, die selbst ein solches Abenteuer erleben wollen.
Bikepacking light: von Zürich nach Sizilien
Reisebericht von Andreas Arnheiter
Wenn ich es über den Gotthard schaffe, geht es nur noch abwärts. Dachte ich. Insgesamt 2’400 Kilometer und mehr als 29’000 Höhenmeter haben sich auf der Fahrt in den Süden angesammelt.
Strand ist schön. Nur noch schöner sind für mich die Hügellandschaften im Innern mit den langen Abfahrten.
Mein lang gehegter Plan war einfach: Mit dem Rennvelo im September 2021 nach Sizilien fahren. Leicht und schnell, mit möglichst wenig Gepäck. Und nach 25 Etappen im Herzen Siziliens ankommen. Aber wie geht man ein solches Vorhaben konkret an?
Das passende Bike
Muss es ein Gravel-Bike sein? Oder reicht mein Rennvelo? Über die genauen Strassenverhältnisse konnte ich nur spekulieren. Berichte von Veloreisenden liessen mich das Schlimmste ahnen. Dichter Verkehr, schlechter Strassenbelag, Wege, die im Nichts enden. Ich informierte mich über diverse Gravelbikes, testete einige und entschloss mich aber dazu, mein Rennvelo mit maximal breiten Reifen auszurüsten (Continental Grand Prix 5000 28 mm) und es damit zu versuchen. Eine Menge Geld gespart. Aber ob das gut kommt? Hält mein Carbonrahmen eine solche Reise durch?
Die richtige Kleidung und Ausrüstung
Tagsüber trage ich meinen Velodress. Für die Abende müssen eine kurze Hose (die gleichzeitig als Badehose dient) und eine lange Trainerhose ausreichen. Dazu zwei T-Shirts, ein langarmiges Shirt, wenn es doch einmal kühl werden sollte, ein Unterleibchen, zwei Unterhosen und zwei Paar Socken. Ausser der kurzen Hose sind alle Kleidungsstücke aus Merino. Merino eignet sich dafür über mehrere Tage getragen zu werden und trocknen nach der Handwäsche schnell. Da ich jeweils Rennveloschuhe beim Fahren trage, nehme ich noch leichte Barfussschuhe mit.
Für Regentage wähle ich Überschuhe, eine hochwertige leichte Regenjacke sowie einen Überzug für den Helm. Für windige Tage und Abfahrten habe ich eine dünne Weste dabei. Dazu GPS, Handy, Vorder- und Rücklicht und eine Powerbank.
Voilá. 8.9 kg alles in allem plus Rennvelo.
Die Bikepacking-Taschen
Auf Probetouren merke ich bald, dass mein Stauraum nur mit Rahmentasche und Satteltasche zu knapp bemessen ist. Und überhaupt, wo lassen sich meine Getränke transportieren? Im Rahmen, wo ich zuvor meine Trinkflasche platzieren konnte, braucht nun die Rahmentasche den ganzen Platz. Eine gute Lösung finde ich in den Food Pouches von Apidura. So kann ich zwei grosse Flaschen oben am Lenker befestigen und zusätzlich eine kleine im Getränkehalter. Insgesamt 1.8 Liter. Zudem kaufe ich eine Lenkertasche, damit ich genug Platz habe, um das Mittags-Panini zu transportieren.
Die Reise in den Süden
Jetzt kann die 2’400 Kilometer lange Fahrt losgehen. Der Wetterbericht zeigt Sonne, angenehme Temperaturen, weder Wind noch Regen. Bis nach Mailand begleitet mich ein Freund. Die ersten Tage sind ein Genuss. Über die gut ausgebaute Strecke radeln wir den Gotthard hinauf. Die Tremola herunter werden wir ziemlich durchgeschüttelt. Nach dem gemeinsamen Espresso in Mailand geht die Reise alleine weiter.
Schon kurz nach der Poebene geht es steil bergauf. Und das sollte auch für den Rest der Fahrt so bleiben. Mit Steigungen von bis zu 18 Prozent erwartet mich der nördliche Ausläufer des Apennins. Ab jetzt ist es heiss. Ich versuche morgens möglichst früh loszufahren, damit ich nachmittags nicht in zu grosse Hitze gerate. Froh bin ich, dass die Hitzephase mit den verheerenden Waldbränden des Sommers vorüber ist.
Nachdem ich die Toskana durchquert habe, werden die Strassen kurz vor Rom ruppig zu fahren: Schlaglöcher, Pflastersteine, Scherben und dichter Autoverkehr – wenn das so bleibt, wird es schwierig mein südliches Ziel zu erreichen. In Italien scheint man die grossflächigen Pflastersteine zu lieben, von denen man als Rennvelofahrer recht gefordert wird. In Rom treffe ich auf keinen einzigen anderen Rennvelofahrer. Alle sind mit Gravelbikes unterwegs. Hätte ich nicht doch besser…?
In Neapel kommt zum holperigen Strassenbelag auch das wilde Fahrverhalten der Töff- und Autofahrer dazu. Es wird ungemütlich. Der Aufstieg zum Vesuv entschädigte mich aber für die Strapazen. Bester Strassenbelag. Und auch die Route entlang der Amalfiküste ist ein Traum für jeden Velofahrer.
Meine Route hatte ich im Voraus mit Komoot geplant und dann unterwegs jeweils den Bedingungen angepasst. Komoot hat auch seine Tücken. Manchmal führt mich die Route auf abgelegene Nebenstrassen in schlechtem Zustand oder ich habe zusätzliche Höhenmeter zu bewältigen. Trotz alledem, nach Neapel beginnt für mich der schönste Teil der Reise. Am Meer entlang durchquere ich die Region Kampanien, Basilikata und Kalabrien. Bis zum südlichsten Zipfel Italiens bleibt das Wetter sonnig.
Am Morgen vor der Überfahrt nach Sizilien schaue ich zur Insel rüber. Kommt da nicht eine grosse Rauchwolke aus dem Ätna? 9’000 Meter hoch speit der aktive Vulkan die Asche aus. Und das zeigt sich spürbar. Bei der Abfahrt vom Ätna ist die Strasse ist von schwarzer Vulkanasche übersäht. Mehrere hundert Höhenmeter fahre ich auf dieser unwirtlichen Strasse hinab und hoffe, dass meine Schläuche die grobe Vulkanasche aushalten.
Es klappt. Auf 2’400 Kilometern habe ich nur drei Platten. Die Reifenwahl bewährt sich.
Nach 25 Tagen unterwegs treffe an meinem Ziel in Sizilien ein, Riesi. Mit der Fahrt habe ich meinen Traum erfüllen können und gleichzeitig mehr als 8000 CHF Spenden gesammelt für die lokale gemeinnützige Organisation «servizio cristiano» in Riesi, Sizilien. Dort verbringe ich drei Tage und geniesse das «dolce far niente». Es wartet ein Fahrradkoffer auf mich, in den ich mein Rennrad verpacke und mit dem Flieger innert wenigen Stunden wieder in Zürich bin.
Bericht: Andreas Arnheiter
fahrtnachriesi@gmx.ch
Dos:
- so wenig Gepäck wie möglich
- genug Flüssigkeit mitnehmen
- Tagesetappen variieren. Für mich war eine kurze Tagesetappe besser als zu pausieren. Bei Pausentagen hat sich mein Körper zu stark entspannt und ich brauchte jeweils wieder eine Weile um in Schwung zu kommen
- Immer etwas zu Essen dabeihaben (Riegel, Sandwiches, auch Gummibärli helfen)
- auch mal losfahren, ohne zu wissen, wo man genau am Abend ankommen will
- Trinkflaschen immer auffüllen, wenn man die Möglichkeit dazu hat
Dont’s:
- ohne Licht durch Italienische Tunnel fahren
- Steigungen am Schluss der Etappen in der Nachmittagshitze einplanen
- Nebenstrassen sind nicht immer geeignet für Rennräder
- zu lange Etappen fahren, so dass man am Folgetag keine guten Beine mehr hat
Packliste
Was | Anzahl wenn grösser als 1 |
Velobekleidung | |
Rennveloschuhe | |
Velosocken | 2 |
Velohose | 2 |
Trikot | |
Windweste leicht | |
Regenjacke leicht | |
Ärmlinge | |
Beinlinge | |
Handschuhe | |
Velomütze | |
Skin Layer | |
Veloausrüstung und Zubehör | |
Helm | |
GPS | |
Licht vorne | |
Licht hinten | |
Bidon 7dl | 2 |
Bidon 3dl | |
Sonnenbrille | |
Velotool | |
Schloss | |
Flickzeug Schlauch | |
Kettenöl | |
Kettenreinungsmittel | |
Rollbares Schutzblech | |
Schuhüberzüge | |
Bikepacking-Taschen | |
Satteltasche Ortlieb | |
Rahmentasche Apidura | |
Oberrohrtasche Apidura | |
Lenkertasche Apidura | |
Food Pouch Apidura gross | 2 |
Hygiene, Elektronik und sonstiges Zubehör | |
Sonnencreme | |
Sitzcreme | |
Lippenpomade mit Sonnenschutz | |
USB HUB mit 3 Anschlüssen | |
Power Bank | |
Notfallapotheke | |
Leichter Rucksack | |
Drehmoment Schlüssel | |
Pumpe | |
Waschmittel Velokleidung | |
Necessaire | |
Regendichte Hülle für Handy, Karten und Geld | |
Freizeitbekleidung | |
kurze Hose (=Badehose) | |
Lange Hose | |
Socken abends | 2 |
leichte Schuhe | |
T-Shirt | 2 |
Unterleibchen | 1 |
Sonnenhut |
Suchst du selbst noch die passende Ausrüstung für dein nächstes Abenteuer? Dann besuche einen unserer 10 Ladenstandorte oder unseren Onlineshop und finde die perfekte Veloausrüstung für deine Bedürfnisse.
Weitere Beiträge und Reiseberichte zum Thema Bikepacking
Follow us:
6 Kommentare
7. Oktober 2021
Danke für den Bericht. Deckt sich in vielem mit meinen bisherigen Touren in Italien.
Frage: Das rollbare Schutzblech ist der Ass-Saver? Korrekt?
Wäre es möglich die Links auf die angegebenen Ausrüstungsgegenstände anzufügen?
11. Oktober 2021
Lieber Andreas Arnheiter,
mir grossem Interesse habe ich Deine Italiengeschichte gelesen, weil meine Freundin und ich im September 2020 vom Umbrail nach Villa San Giovanni geradelt sind. Wir navigierten mit Strassenkarte und Durchfragen (ohne Kommod) gut durchs Landesinnere, erreichten nach etwa 1650 km, 21 000 Steigemetern und 19 Tagen die Fähre nach Sizilien.
Ich vergleiche Deine Packliste mit unserer:
Velo Ersatzsocken haben wir ein Paar dabei. Die einzige Velo-Hose ist am Leib, im Gepäck keine. Am Leib ist ein Trikot, und eines im Gepäck. An jedem Velo ist ein 5-dl-Bidon. Für den Abenausgang reichen die Ersatz-Velosocken. Wir nehmen keine T-shirts mit, und nur ein einziges Unterleibchen, d.h. synthetisches Schwitzleibchen z.B. von Odlo.
Und so weiter. Mehr darüber kannst Du lesen in der Zeitschrift TOUR Februar 2021.
Frohes Radeln wünscht Dir
Dres Balmer
13. Oktober 2021
Wir machen seit 40 Jahren jährlich solche Fernfahrten in Gruppen. Meistens so zwischen 700 und 1000 km. Italien ist wegen des Verkehrs auch auf kleinen Straßen und dem Strassenzustand schlechter geeignet als Frankreich und Spanien.
In unserer Gruppe sind immer mehr mit Gravel-bikes unterwegs, ist einfach bequemer und entspannter. Klar kicken kann man auf dem Carbon besser und bei vielen Pässen ist es besser, bei üblen unberechtigten Straßen ist das Gravel wieder im Vorteil.
Wenn auf Komoot Gravel eingegeben wird, will er immer wieder auf bockige Abwege, Komot findet aber immer wieder die richtige Lösung. Besser: mit Michelin Karte und den dort grün genannten Strässchen und Komoot eine Synthese finden. Fahren tue ich dann mit Garmine.
Die meisten bei uns fahren mit einem Gepäckträger hinten und ein bis zwei Ortliebtaschen eingehängt. Früher haben wir uns selbst alle erdenklichen Säcke genäht…und das Sattelgepäck hat gebastelt…Wir hatten auch feste Kästen aus Polyester im Rahmen.
Lieber zu wenig Gepäck als zu viel! Kleider können auch zugelaufen werden.
Gruß Christoph
23. Oktober 2021
Danke für die Rückmeldungen.
@ blackCoffee
Das Rollbare Schutzblech ist von Musguard
9. November 2021
Vielen Dank Herr Arnheiter
Das war mir einen Freude Ihre Veloferntour durch Ihren kurzen Text, nachzuerleben. Grossartig, wie Sie alles bewältigt und damit schlussendlich Ihr humanitäres Ziel erreicht haben.
Den Servizio Christiano in Riesi unterstütze ich finanziell seit meinem 16. Lebensjahr 1971. Was hier Tullio Vinay für Sizilien geschaffen hat und bis heute weiterleben darf, ist vorbildlich und ganz an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientiert, die sich von den mafiosen Strukturen befreien will. Bildung heisst das Schlüsselwort. Man ist in Sizilien noch nicht am Ziel. Der Servizio trägt aber unermüdlich zur Erreichung dazu bei. Und Sie, Herr Arnheiter, haben mit Ihrer originellen WinWin-Idee und Ihrem grossen persönlichen Einsatz, für diese Bemühungen eine sehr, sehr grosszügig finanzielle Unterstützung ausgelöst. Ich gratuliere Ihnen und bedanke mich ganz herzlichen aus dem Appenzellerland über dem Bodensee.
2. Oktober 2022
Lieber Andreas Arnheiter
Vielen Dank für den Tollen Bericht von Ihrer Tour nach Sizilien. Ich hätte noch ein paar Fragen dazu, weiss aber nicht, ob dieser Blog noch aktuell ist bzw. weitergeführt wird und somit dafür noch verwendet werden kann.
Danke für Ihre Rückmeldung.
Sportliche Grüsse
Manfred Feucht