Ein Auto ist schneller als ein Velo. Folglich werden Velos von Autos überholt und das ist auch ok. Nicht ok jedoch sind Überholmanöver mit zu geringem Abstand. Die von Veloplus unterstützte Kampagne «Abstand ist Anstand» kämpft politisch gegen gefährliche Überholmanöver.
Jeder 10. Unfall passiert durch ein gefährliches Überholmanöver. Bei einer Befragung gaben ausserdem über zwei Drittel an, dass sie regelmässig zu knapp überholt werden. Der Abstand zwischen Velos und Autos ist ein heikles Thema. Oft geraten hier zwei Fronten aneinander. Im Strassenverkehr kommt es immer wieder zu gefährlichen Situationen wegen riskanter Überholmanöver. Doch wie ist der Abstand gesetzlich geregelt, was kann man für die Abstandseinhaltung machen und wie gefährlich ist das zu enge überholen?
Wie eine Deutsche Studie zeigt, sind gefährliche Überholmanöver weit verbreitet. 100 freiwillige Radfahrer*innen haben während zwei Monaten gemessen, wie eng sie von Autos in Berlin überholt werden. Das Resultat: Rund 56 Prozent aller Überholvorgänge verzeichneten in der Studie einen geringeren Abstand als 1.50 Meter. Gemäss deutschem Gesetz müsste jedoch ein Mindestabstand von 1.50 bis 2 Meter eingehalten werden.
Die gesetzliche Lage
Im Schweizer Verkehrsgesetz (svg) ist kein offizieller Mindestabstand geregelt. In Artikel 35 des SVG ist bezüglich dem Überholen nur folgendes vorgegeben:
Art. 35 SVG
1: Es ist rechts zu kreuzen, links zu überholen.
2: Überholen und Vorbeifahren an Hindernissen ist nur gestattet, wenn der nötige Raum übersichtlich und frei ist und der Gegenverkehr nicht behindert wird. Im Kolonnenverkehr darf nur überholen, wer die Gewissheit hat, rechtzeitig und ohne Behinderung anderer Fahrzeuge wieder einbiegen zu können.
3: Wer überholt, muss auf die übrigen Strassenbenützer, namentlich auf jene, die er überholen will, besonders Rücksicht nehmen.
4: In unübersichtlichen Kurven, auf und unmittelbar vor Bahnübergängen ohne Schranken sowie vor Kuppen darf nicht überholt werden, auf Strassenverzweigungen nur, wenn sie übersichtlich sind und das Vortrittsrecht anderer nicht beeinträchtigt wird.
5: Fahrzeuge dürfen nicht überholt werden, wenn der Führer die Absicht anzeigt, nach links abzubiegen, oder wenn er vor einem Fussgängerstreifen anhält, um Fussgängern das Überqueren der Strasse zu ermöglichen.
6: Fahrzeuge, die zum Abbiegen nach links eingespurt haben, dürfen nur rechts überholt werden.
7: Dem sich ankündigenden, schneller fahrenden Fahrzeug ist die Strasse zum Überholen freizugeben. Wer überholt wird, darf die Geschwindigkeit nicht erhöhen
Ein Blick ins Ausland zeigt, dass die Schweiz in Bezug auf den Mindestabstand eine Ausnahme darstellt. Die meisten Länder um uns herum haben einen gesetzlich verankerten Mindestabstand. In der Schweiz ist dieser nicht existent, bzw. wird auf das Bauchgefühl des Autofahrenden reduziert. Hier ein kleiner Überblick über die Gesetzeslage in anderen Ländern (Quelle: Abstand ist Anstand):
- USA, in 29 Bundesstaaten, 3 – 4 Feet
- Kanada, 1 Meter
- Niederlande, 1 Meter
- Belgien, 1 Meter (Kampagne in Belgien), ab 2021 1,5 Meter
- Deutschland, 1.5 Meter, 2 Meter bei Lastwagen, ab 90 km/h, schlechten Strassenverhältnissen, Wind und Kinder
- Australien, Diverse Bundesstaaten, 1 – 1.5 Meter
- Portugal, 1.5 Meter
- Grossbritannien, Highway Code 163, Spurwechsel, wie beim Überholen eines Autos
- Spanien, 1.5 Meter
- Frankreich, 1 Meter innerorts, 1.5 Meter ausserorts
- Polen, 1 Meter
- Irland, 1.5 Meter seit 28.02.2018
- Luxemburg, 1.5 Meter ab 1.5.2018
Petition unterstützen!
2018 wurde die Kampagne Abstand ist Anstand ins Leben gerufen, um endlich auch in der Schweiz einen gesetzlichen Mindestabstand einzuführen. Initiiert wurde die Kampagne durch Pro Velo Thurgau. Sie wird aber auch von Pro Velo Schweiz und vielen weiteren Organisationen unterstützt. Die Petition will, dass Artikel 35 des SVG ergänzt wird und die 1.50 Meter offiziell gesetzlich verankert sind. Denn: Abstand ist Anstand! Stimmt oder? Dann liegt hier die Petition zum Unterzeichnen bereit.
Gemäss Vera Zahner von Pro Velo Thurgau ist es geplant, die Unterschriften dieses Jahr zu überreichen. „Corona hat dem Terminplan einen Strich durch die Rechnung gemacht. Die Einreichung der Unterschriften wäre ursprünglich früher geplant gewesen“, erklärt Zahner. Das Ziel sei es nun, die Unterschriften einzureichen, wenn über die gleichnamige Motion gesprochen wird.
Was kann man als Fahrrad für die Überholsicherheit machen?
Es gibt verschiedene Optionen, wie man sich im Strassenverkehr mit dem Fahrrad vor zu engem Überholen schützen kann. Auf der Seite des Initiativ-Komitees ist folgende Anleitung gegeben:
- Halten Sie 70 bis 100 cm Abstand vom rechten Strassenrand. Eine Bandbreite deshalb, weil Sie mehr Abstand nehmen sollten, wenn rechts eine Mauer steht, als wenn Sie nach rechts ausweichen können. Mit dieser Fahrweise rücken Sie mehr ins Gesichtsfeld der Fahrerin oder des Fahrers und werden besser und früher gesehen. Zudem haben Sie die Möglichkeit, nach rechts auszuweichen, falls Sie zu nahe überholt werden.
- Halten Sie diesen seitlichen Abstand auch bei Engstellen ein. So werden nachfolgende Fahrzeuge Sie nicht überholen. In Kreiseln und in Linksabbiegespuren haben Velofahrende das Recht, vom Rechtsfahren abzuweichen. Sie dürfen dort in der Mitte der Fahrspur fahren und dadurch ein Überholtwerden verhindern.
Zusätzlich zum Fahrverhalten im Strassenverkehr, gibt es auch Hilfsmittel, wie beispielsweise eine Fahne oder Abstandskelle, die das Velo optisch breiter machen, so dass man sofort und generell besser überholt wird. Aber Achtung: Gemäss Gesetz darf ein Velo nicht breiter als 1 Meter sein.
Auch Veloplus hat ein solches Hilfsmittel im Sortiment. Zusätzlich kann die Kampagne auch mit Klebern unterstützt werden, die man gratis bei Veloplus bestellen kann:
13 Kommentare
13. Januar 2021
Sorgt lieber mal dafür, dass ALLE Velofahrer an einer roten
Ampel auch stehen bleiben und dass ALLE Velofahrer mit der
vorgeschriebenen Beleuchtung unterwegs sind – bevor ihr neue Gesetze fordert !!!!!
14. Januar 2021
Hoi Chrigu
Danke für deine Rückmeldung. Veloplus setzt sich verkehrspolitisch für verschiedenste Anliegen ein und informiert auch regelmässig über die neusten Änderungen der Verkehrsgesetze. Deine Forderung, dass wir dafür sorgen sollen, dass sich ALLE Velofahrenden an die Vorschriften halten ist schwierig umzusetzen. Einerseits sind wir nicht die Verkehrspolizei, andererseits wird man nie alle Leute dazu bringen, sich an die Vorschriften zu halten. Dies gilt aber auch für alle anderen Verkehrsteilnehmenden und nicht nur die Fahrräder. Wir können nur über die neuen Gesetze informieren und den Leuten ans Herz legen, sich daran zu halten. Übrigens haben wir erst kürzlich über die neusten Verkehrsgesetze 2021 informiert:
Aufgepasst: Ab Januar gelten die neuen Verkehrsregeln für Velofahrende Darin steht nebenbei auch, dass zukünftig das Rechtsabbiegen bei Rot bei entsprechender Zusatztafel für Velos erlaubt ist.
Und auch zum Thema Sichtbarkeit und Beleuchtung haben wir bereits öfters berichtet und die Leute auf dieses wichtige Thema sensibilisiert.
Wir werden auch weiterhin über neue Gesetze informieren, gleichzeitig sehen wir es jedoch auch als unsere Pflicht uns für neue Gesetze und die Anliegen der Fahrradfahrenden einzusetzen.
Freundliche Grüsse, dein Veloplus-Team
14. Januar 2021
Hallo Chrigu66 – ja tatsächlich gibt es viele Velofahrer welche sich nicht an alle Vorschriften halten, was sicher nicht gut ist. Aber genauso die Autofahrer – bitte mal darauf achten, wie viele Autofahrer noch immer tagsüber ohne Licht fahren, den schwächeren Verkehrsteilnehmern den Vortritt verweigern (mind. 60% der PWs verweigern mir den Rechtsvortritt an einer T-Kreuzung in Thun, wenn ich mit dem Velo unterwegs bin, und 30% wenn ich mit dem Auto von rechts komme!), an der Ampel auf dem Velostreifen anhalten (ca. 50% inkl. Bus und LW!) oder gar auf Velostreifen / Velowegen länger anhalten bzw. parkieren, usw. Also falls Sie zu den 1% Autofahrern gehören, die alle Verkehrsregeln (inkl. Vortrittsregeln) kennen und auch immer einhalten, dann ist Ihr Einwand gerechtfertigt – sonst bitte die Klappe halten und zuerst das eigene Verhalten verbessern! Danke!
14. Januar 2021
Ich kann Chrigu66 nur beipflichten. Ich fahre selbst jeden Tag mit dem Velo zum Arbeitsplatz (knapp 3km) und was ich da sehe und erlebe von den anderen Velofahrenden da stellen sich mir die Nackenhaare auf.
Eine nicht abschliessende Aufzählung:
Auf dem Trottoir fahren
In die falsche Richtung auf dem Veloweg fahren
Ohne, mit teilweisem oder schwachem Licht unterwegs
Rote Ampeln missachtend
Linksabbiegen ohne Schulterblick und/oder Zeichengebung
Den Zebrastreifen fahrend benützen
Die hier aufgeführten Punkte dienen nicht dem Ansehen der velofahrenden Gilde und jeder der seinen Drahtesel im Verkehr bewegt sollte sich dessen gewahr sein.
–>Einige wenige vernichten den Ruf von vielen…
Vielleicht sollte man sich Gedanken darüber machen ob nicht gleich mit dem kauf des Velo auch die Anmeldung zum Organspender ausgefüllt werden sollte. So würde im schlimmsten Fall wenigstens noch jemand davon „profitieren“.
14. Januar 2021
Velofahrende sollten zu ihrer eigenen Sicherheit die Regeln einhalten und sich defensiv verhalten.
Und insbesondere gegenüber den schwächeren Fussgängern sich rücksichtsvoll verhalten.
Genauso erwarte ich Rücksicht von den stärkeren Autos. Argumente, erst sollen Velofahrende sich korrekt verhalten und dann könne man über die Autos sprechen finde ich einen Witz!
Eine Frage an die Experten hier:
Wenn ich rechts auf der Velospur fahre und dann in ca. 100m LINKS abbiegen möchte. Autos fahren mit zackigen 55km/h. Ich beginne mit meiner linken Hand ein Zeichen zu geben, dass ich gedenke nach links einzuspuhren (ich tue das noch nicht, bin ja nicht lebensmüde). Meine Erwartung wäre jetzt, dass mich nachdem man das Signal erkennt, die Autos mich nicht mehr überholen und mir eine Möglichkeit lassen, dass ich einspuren kann. Dies passiert sehr selten, fast nie. Gewisse Autofahrer fühlen sich sogar durch die ausgestreckte Hand provoziert und zum Hupen animiert. Liege ich falsch? Wie wäre das korrekte Vorgehen?
Danke und Gruss
Hugo
PS: auf dem Velo, zu Fuss, im ÖV und im Auto unterwegs (Präferenz in dieser Reihenfolge)
14. Januar 2021
Das mit dem zuwenig Abstand beim Überholen ist so eine Sache, ist aber in der CH auch das Problem von zu engen Strassen und die vielen Verkehrsinseln, die im Weg stehen.
Das ist das eine.
Das andere aber ist und das ist viel wichtiger, zu oft auch viel zu schnell überholt wird und dann zusätzlich zu nah. Ich erlebe das oft auf Nebenstrassen und Flurstrassen, wo es ohnehin relativ eng ist. Das ist aber einigen Automobilisten völlig egal. Von Temporeduktion keine Rede, sie preschen einfach vorbei.
Zudem gibt es auch solche, die auf schmalen Strassen mit hohem Tempo kreuzen, auch bei engen Verhältnissen und viel zu nah. Habe das letztens sogar als Fussgänger erleben müssen.
Mir fällt auch auf, dass auf vielen landwirtschaftlichen Strassen, auf denen früher ein Fahrverbot für Motorfahrzeuge war, dieses Verbot entfernt wurde. Haben wir es hier mit rechten Politikern zu tun, die ihren Frust über Langsamverkehr ausleben wollen ?
15. Januar 2021
Hallo Thomas
Danke für den Input. Du hast Recht. Nicht nur die Distanz sondern auch das Tempo ist ein sehr wichtiger Aspekt beim Überholen.
Freundliche Grüsse, dein Veloplus-Team
15. Januar 2021
Ich verstehe die Abstandsdiskusion nicht ganz. Auf Grund des geringen Abstandes gibt es relativ wenig Unfälle. Die Jenigen die unter 1m vorbeifahren, sind ja sehr wenige und die werden kaum mehr Abstand halten, auch wenn es Gesetzlich Vorgeschrieben ist. Also ein Gesetz mehr welches nichts nutzt.
Überflüssig. Ich bin übrigens täglich auf dem Fahrrad, weis auch aus dieser Perspektive was Sache ist.
15. Januar 2021
Hallo Oliver
Wir finden, dass jeder Unfall ein Unfall zu viel ist. Da reicht das Argument, dass es relativ wenig Unfälle sind nicht aus. Du hast zwar Recht, dass es schwierig ist ein solches Gesetz effektiv durchzusetzen und es wird immer unverbesserliche Verkehrsteilnehmende geben. Dennoch ist es wichtig, dass mit einer solchen Kampagne und einem solchen Gesetz ein Zeichen gesetzt wird und die Leute stärker dafür sensibilisiert werden. Freundliche Grüsse, dein Veloplus-Team
15. Januar 2021
Übrigens, die nette Dame auf eurem Titelbild ist auch nicht Vorbildlich unterwegs! Belegt eine Spur mit dem Rad für sich alleine….
27. Januar 2021
Zu den Punkten
1. „Es sind nur wenige die unter 1m Abstand halten beim Überholen“
2. „Problem von engen Strassen in der Schweiz“
Die Statistik zeigt ja dass rund jeder 5. mit unter 1m Abstand überholt. Solange man via Gesetz keine verbindlichen Richtlinien kommuniziert, wird sich aus meiner Sicht bei dieser Gruppe sicher nichts ändern. Ob mit einem gesetzlichen Abstand sich was ändert, keine Ahnung. Fände das trotzdem gut.
Und das überholen bei Engen verhältnissen. Warum haben eigentlich so viele Leute im Strassenverkehr das Gefühl dass es ein RECHT auf SOFORTIGES Überholen gibt? So nach dem Motto „Platz da, ich komme“. Das bisschen Geduld, das es braucht auf eine sichere Gelegenheit zu warten dürfte einem weniger Zeit kosten als die Strapazen (und Schuldgefühle) wenn es dann irgendwann zu einem Unfall kommen sollte.
In dem Sinne… Relax (gilt für Auto und auch für Velofahrer).
20. Dezember 2021
Durch Zufall bin ich auf diese Website geraten. Nun, ich bin nicht für einen gesetzlichen Mindesabstand fürs Überholen. Ich fahre täglich mit dem Auto nach und in Bern und ich erlebe dabei so einiges – von Velo- und ja auch von Autofahrern.
Das Schlimmste finde ich, das Vordrängeln (am besten links und im Slalom) an Bahnschranken und Ampeln. Die Velofahrer erzwingen so ein unnötiges Überholmanöver. Bei Bahnschranken muss man als Autofahrer dann zuerst warten, bis der Gegenverkehr vorbei ist, erst dann kann überholt werden. Und bei Ampeln, bis die Velofahrer vor einem dann endlich in Fahrt sind, ist nach 2-3 Autos schon wieder rot. Natürlich folgt auch dort dann noch ein Überholmanöver. Ich wäre auch dafür, dass für Velos in einer langsamfahrenden Kolonne ein Verbot fürs rechts überholen gelten würde. Jedes Velo, das mich überholt, muss ich dann auch wieder überholen. Und wenn ich dann einem entgegenkommenden Fahrzeug, der von mir aus rechts abbiegen will, den Vortritt lassen will, wird er sicher durch ein mich überholendes Velo ausgebremst.
Es ist ein Miteinander auf den Strassen…
8. Juni 2024
Ich weis ist ein älterer Artikel aber die Rennvelofahrer sollten es auch mal hinkriegen den Abstand zu Autos zu halten. Wir Velofahrer sollten mehr dran kommen wenn wir den Sicherheitsabstand nicht halten. Gestern fuhr einer mit ca 1m Abstand bei ca 40 innerorts Rechts dem Auto nach. Hätte das Auto gebremst wäre er ins Auto rein gefahren. Hatte dann zu beiden einen grösseren Abstand weil ich kein bock habe auch noch zu stürzen. Mir fällt aber auf, dass Reenradfahrer und Städter oft die grössten Jammers sind welche sich am wenigsten an die Gesetze halten. So kommen wir halt echt nicht weiter wenn wir fordern aber selbst nicht liefern. Verkehr ist ein Ort andem Rücksichsnahme die oberste Priorität hat. wenn jeder für den Anderen schaut gäbe es nahe zu null Unfälle weil es nur nic die Menschlichen Fehler (effektiv übersehen, Gedanklich kurz Abgelenkt sein) geben würde und nicht die mit Absicht in Kauf genommenen Risiken(Handy, zuschnell fahren, rot überfahren usw.)