Der E-Bike-Boom ist unaufhaltsam. 2018 war bereits jedes dritte verkaufte Velo ein E-Bike. Tendenz massiv steigend. Fakt ist aber: Die Velo-Infrastruktur steckt auf Schweizer Boden vielerorts noch in den Kinderschuhen. Stellt sich die Frage, wie weiter?
Die Thematik ist nicht neu. Neu dazugeschalten hat sich aber ein weiterer Player: Swiss Cycling. Der Verband für Radsportler in der Schweiz lud kürzlich zur ersten nationale E-Bike-Tagung in Bern. Gefolgt sind der Einladung fast alle namhaften Interessengruppen: Pro Velo, TCS, Velosuisse, 2Rad, E-Bike-Sharing-Anbieter, Händler, Medien sowie Vertreter aus Politik und Tourismus.
Folgende Fragen standen im Zentrum:
Verändert das E-Bike das Bewegungsverhalten der Gesellschaft?
Welche Probleme werden durch das E-Bike verursacht?
Welche Massnahmen können dazu beitragen, die Probleme zu entschärfen?
Welche Perspektiven bietet das E-Bike in touristischer Hinsicht?
Wie präsentiert sich die Situation in Sachen E-Bike auf gesetzlicher Ebene?
Wo steht die Schweiz im internationalen Vergleich?
Die Fragen sind zwar nicht neu, aber Swiss Cycling hat es geschafft, die verschiedenen Interessengruppen an einen Tisch zu bringen. Am Ende des Tages lautete das Fazit: Es geht nur miteinander. Der gegenseitige Austausch soll intensiviert, die Toleranz der Verkehrsteilnehmer gesteigert werden. Doch der Reihe nach.
Astra-Direktor spricht Klartext
Für Gesprächsstoff und höchste Aufmerksamkeit sorgte Referent Jürg Röthlisberger, seines Zeichens Direktor des Bundesamts für Strassen (Astra). «Wir haben den weltbesten Personenverkehr. Wichtig zu wissen: 75 Prozent ist privater, motorisierter Individualverkehr, 16 Prozent Bahnverkehr, 3 Prozent öffentlicher Strassenverkehr und 6 Prozent Langsamverkehr, zu dem das Velo zählt.» Der erwartete Verkehrszuwachs könnte die heutige Hierarchie aber ins Wanken bringen, werde dem Langsamverkehr bis ins Jahr 2040 doch ein Plus von 32 Prozent vorhergesagt, so Röthlisberger.
«Das E-Bike hat grosses Potenzial», sagt Röthlisberger. Doch ist der Platz auf den Strassen für das Wachstum überhaupt ausreichend? «Es ist davon auszugehen, dass die E-Bike-Zunahme die Belegung im öffentlichen Verkehr um 25 Prozent reduziert. Ergo muss auch die Infrastruktur diesen Auswirkungen angepasst werden. Das heisst: Mischverkehrslösungen beim Langsamverkehr müssen auf ein Minimum reduziert.» Röthlisberger spricht von Leuchtturmprojekten, beispielsweise einer Velo-Schnellstrasse. Nicht unerwähnt blieb auch die fünf Jahre dauernde Sanierung am Gotthard. Dort entstand, zwischen Göschenen und Andermatt, eine getrennte Wander- und Veloroute durch die Schöllenenschlucht.
Städte als Problemfelder
Das Problem in den Städten, dort wo der Handlungsbedarf am grössten ist, ist damit aber nicht gelöst. Und die wachsende Vielfalt an Fortbewegungsmittel (E-Bike, Hoverboard, Segway, E-Trotti) verkomplizieren das Unterfangen, wobei die meisten elektrisch angetriebenen Trendfahrzeuge im öffentlichen Verkehr gar nicht erlaubt sind. Aber: «Der Fokus wird sowieso auf den Fuss- und Veloverkehr gelegt, weitere Kapazitäten im City-Raum sind schlicht nicht vorhanden», sagt Röthlisberger und verweist auf Zürich. Das Ziel ist klar definiert: «Velowege sollen so gut und sicher wie unsere Nationalstrassen werden», sagt Röthlisberger.
Dieser Zielsetzung hatte niemand in der Runde etwas entgegenzusetzen, auch wenn die Skepsis über die Umsetzung nach wie vor bestehen bleibt. Denn nach wie vor ist die Unfallgefahr aufgrund fehlender Velo-Infrastruktur gross – vor allem in den Städten. Dass die Unfallstatistik aufgrund des E-Bikes aber massiv in die Höhe schiesst, widerlegte Stefan Siegrist (Direktor Beratungsstelle für Unfallverhütung; BfU). «Die Statistik zeigt, dass zu 90 Prozent ein Autolenker schuld ist, wenn ein E-Bike-Fahrer verletzt wird.» Der Grund: Je schneller ein Velo-Lenker unterwegs ist, desto mehr wird er von den Autolenkenden unterschätzt. Und selbstverständlich ist die Zahl der Verunfallten massiv angestiegen, «aber proportional zu der Anzahl der neu verkauften E-Bikes», stellt Siegrist klar. Den ganzen Report von BfU gibts hier.
Ohne Lobby keine Stimme
Im Einklang waren die Anwesenden damit, dass die Prävention und Sicherheitsvorkehrungen beim Thema E-Bike vorangetrieben werden muss. Denn der E-Bike-Boom hat gerade erst begonnen. Das präsentierten beispielsweise die Themen der weiteren Referenten: E-Biking als Businessmodell in alpinen Regionen, E-Bike-Sharing in Städten mit viel Tourismus, E-Bikes im Radsport (E-MTB WM) usw.
Deckungsgleich sind die Forderungen aller Interessengruppen: Der Bundesbeschluss Velo, der am 23. September 2018 vom Volk gutgeheissen wurde, soll raschmöglichst umgesetzt werden. Dabei geht es darum, Velowege genau wie Fuss- und Wanderwege in der Verfassung zu verankern und die Infrastruktur zu verbessern. Zwar setzt der Bund die Leitplanken, gefordert sind im Anschluss für die Umsetzung aber vor allem die Kantone, Städte und Gemeinden.
Bild Swiss Cycling
Markus Pfisterer, Geschäftsführer von Swiss Cycling, bezeichnete die Tagung als vollen Erfolg und ist bestrebt, im kommenden Jahr wieder zu einer E-Bike-Tagung zu laden. Das ist gut. Dass die verschiedenen Velo-Interessengruppen aber nur vor der eigenen Haustüre wischen, liegt nicht drin. Die passenden Worte fand Jürg Röthlisberger: «Ihr müsst aktiv werden, euch formieren und eine starke Velo-Lobby aufbauen; so wie die Automobilindustrie. Nur so könnt ihr in Bern zu einer wichtigen Stimme werden und Druck aufsetzten – es geht nur miteinander!»
5 Kommentare
26. Juli 2019
Nach über 40’000 Km unfallfreien Km auf dem E-Bike muss ich die Gefährdung durch zu knappes Überholen durch Autolenker und LKW’s bestätigen. Als Velotourenleiter achte ich auf 5er Pakete und genügend Abstand zueinander (auf normalen Strassen ohne Radweg und Streifen). Dies sollte unbedingt propagiert werden. Ebenfalls fahren wir wie die Autos mit Licht. Kleine Massnahmen mit guter Wirkung!
Gruss
Albert Egli
26. Juli 2019
Eigentlich will niemand den Velofahrer weder auf dem Nebenwegen oder auf der Strasse.
Was auch gesagt werden muss, dass sich relativ viele Velofahrer nicht an die Verkehrsregeln halten. Da ist auch noch Handlungsbedarf.
Ich mache gerne mit um dem Velofahrer eine Stimme in Bern zu geben.
26. Juli 2019
Auch Pro Senectute Bern war am Anlass aktiv beteiligt. Pro Senectute bietet spezielle eBike und eMTB-Kurse an für die Altersgruppe 60+. Auch führt Pro Senectute regelmässig Rad- und MTB-Touren durch, wobei die Teilnehmenden von esa-ausgebildeten Radtourenleiter und MTB-Tourenleiter begleitet werden. (Programm siehe http://www.capelligrigi.ch).
26. Juli 2019
Meiner Meinung nach sollte man das e-bike schweizweit verbieten! Egal ob alt oder jung mit diesen Gefährt auf den Strassen/Waldwege unterwegs sind. Die meisten,was ich als eingefleischter MTBer beobachte, sind anstandslose Rüppel!
Selbst Frauen, die schwach auf der Brust sind, mit ihren Kinderanhänger wie die hirnlosen ohne zu schauen einem vor der Nase den Vortritt wegnimmt und/oder im Kreisel nicht mal weiss wie sich zu verhalten,das kannst einfach nicht sein.Die meisten sind schlichtweg überfordert mit dem Gefährt.Jeder von diesen Deppen hat das Gefühl der grösste zu sein,man hat ja schliesslich einen Motor unterm Arsch,aber dies nützt nichts wenn der Akku leer ist, dann ist man Verdammt den schweren und trägen Esel zu schieben.Oekologisch ist das ganz sicher nicht!Den Strom beziehen diese ja aus der Steckdise und woher kommt dieser?Der Akku, wo wird er entsorgt? Ach jaa in Afrika denn in der sauberen Schweiz will man mit Sondermüll nichts zu tun haben!!!
Das man bei uns so ein Gschiss macht wegen den e-Bikes lösst bei mir nur Kopfschütteln und Wut aus. Es geht ja nur um den Profit und nichts anderes.
Die Schweiz hinkt in Sachen Radwege sicher 20Jahre hinterher. Geht mal nach Deutschland,dort ist der Radfahrer weg von der Strasse, stört den Autofahrer nicht und genug Platz.Solange die Politiker nur Geld für das Autobahnnetz hat,weil sich ja immer mehr Blech drauf bewegt,(4,6mio.FZ)muss man sich nicht wundern das da keine Kohle mehr für Radwege sind.Heute herrscht nur noch Chaos,Drängeln,Krieg auf unseren Strassen,da haben die e-Biker nichts verloren,vor allem die Alten sind ja hoffnungslos damit überfordert!
Ich selbst fahre seit 2005kein Auto, oder Motorrad mehr,da ich erstens 8min.zur Arbeit habe, und am Abend erst noch schneller bin als mit dem Auto in der Rushour zu stehen.
Werde mir niemals ein e-bike kaufen, weil dies ein Betrug am Radfahrer plus Umwelt ist!!!
Zitat ENDE
4. August 2020
Mir gefällt das EMTB fahren, bin seit 1990 am Biken. Was mir nicht gefällt, wenn Menschen so negativ eingestellt wie der letzte Kommentator.Ich habe selten Probleme, und wenn bin meist selber Schuld. Ich wünsche mir gute Trailbauer und Planer für die Zukunft . Und die gehört dem Velo ,mit und ohne Motor.
De Geri