Warme Grüsse aus Patagonien

Am 14. Februar 2016 war es endlich soweit. Miriam Probst und Michi Gächter haben sich ihren Traum erfüllt und starteten in ihre lang geplante Weltreise. Mittlerweile sind sie seit 9 Monaten unterwegs und haben schon so einiges erlebt. Aktuell befinden sich die beiden gerade in Südamerika und versorgen uns mit einem neuen spannenden Blogbeitrag zu ihrer 12. Etappe Puerto Varas nach Villa O’Higgins. 

Gestartet sind die jungen Veloabenteurer in Thailand. Mit Sack und Pack ging es am 14. Februar 2016 los mit ihrem Projekt „Going South“. Mehr über das bisher erlebte und atemberaubende Fotos findest du hier.

Wer direkt einen Abstecher nach Patagonien machen will, dem empfehle ich den nachfolgenden Blogbeitrag verfasst von Miriam und Michi höchstpersönlich.

Das Warten auf besseres Wetter in Puerto Varas hat sich gelohnt. Zwar war der Himmel noch grau und verhangen, als wir uns auf unsere Räder schwangen, doch schon bald lichtete sich die Wolkendecke. Bei unserer Ankunft auf der Insel „Chiloé” wurden wir bereits mit Sonnenstrahlen begrüsst, die uns die kommenden Tage treu begleiteten. Wir hatten grosses Wetterglück, denn Chiloé gehört zu den regenreichsten Regionen der Welt, und scheinbar herrschte bis zu unserem Ankunftstag zwei Wochen Dauerregen. Auf der Insel erwartete uns eine wundervolle Landschaft mit saftigen Wiesen, kräftig blühenden Sträuchern, malerischen Seen und immer mal wieder boten sich uns beeindruckende Ausblicke auf den Ozean. Teilweise konnte man sogar die schneebedeckten Vulkane auf dem Kontinent im Hintergrund erkennen. In den kleinen, für die Insel so typischen Dörfchen gruppierten sich bunt bemalte Holzhäuschen um eine ebenso farbige Holzkirche.

Die Einwohner Chiloés erlebten wir als noch freundlicher als diejenigen auf dem Festland, immer wieder riefen und winkten sie uns zu und fragten uns über unsere Herkunft und Reisepläne aus. In der Hauptstadt Castro wurden wir gar zu einem Apéro riche in der Bibliothek eingeladen. Zum berühmten chilenischen Wein gab es Säfte in allen Geschmacksrichtungen und die Nationalspeise „Empanadas”. Das sind mit Gemüse, Fleisch oder Käse gefüllte Teigtaschen. Das Velofahren auf der Insel war wegen der zahlreichen steilen Hügeln allerdings ziemlich anstrengend, die gemessenen Höhenmeter sprengten täglich spielend die Tausender-Grenze. Vom Süden der Insel gelangten wir mit einer Fähre wieder auf den Kontinent zurück. Glücklicherweise war das Verladen der Velos auf das Schiff viel unkomplizierter als in einen Reisebus. Es war viel Platz da und die Matrosen schienen dem Dauerstress der Busfahrer nicht verfallen zu sein.

Bei der Ankunft in Chaitén ging es für uns dann endlich los mit der berühmten „Carretera Austral“. Dies ist eine Strasse, deren Bau in den 1970er Jahren vom damaligen Diktator aus militärischen Gründen angeordnet wurde. Chiles Süden, der bis dahin nur per Flugzeug, Schiff oder via Argentinien zu erreichen war, sollte auch über einen Landweg an den Norden angeschlossen werden. Die Carretera Austral führt durch eine sehr unwegsame Gegend, bestehend aus dichtem Urwald, felsigen Bergen, Gletschern, unzähligen Flüssen, weit ins Land reichenden Fjorden und geheimnisvollen Moorlandschaften. Der Bau dieser Strasse war somit ein äusserst schwieriges Unterfangen, das so manches Soldatenleben kostete. Obwohl 1999 auch der letzte, südlichste Teil dieser Verbindung fertiggestellt wurde, trafen wir auf einige Baustellen. Die Carretera, die bis anhin aus Naturstrassen mit Sand, Schotter oder Steinen – was die Gegend halt gerade so hergab – bestand, soll nun asphaltiert werden. Ein Vorhaben, das sich sicherlich noch über Jahrzehnte hinziehen wird.

Auf der Carretera Austral warteten zwar wiederum anstrengende Abschnitte, jedoch auch spektakulärste Landschaften auf uns. Schon auf den ersten Kilometern, wo wir zu unserem Glück bereits von der laufenden Asphaltierung profitieren konnten, waren wir von der Natur beeindruckt. Zunächst führte unser Weg durch ein bewaldetes Gebiet, wobei ab und an schneebedeckte Bergspitzen hinter den Baumwipfeln hervorlugten. Manchmal konnte man an einem bläulichen Schimmern auch erkennen, dass der Berg vergletschert war. Kurz vor einem kleineren Pass verliessen wir den angenehmen Untergrund. Von da an ging es auf einer Schotterpiste weiter, die sich stückweise vom parallel dazu verlaufenden Flussbett nur dadurch unterschied, dass kein Wasser floss. Der Untergrund war mit grossen, losen Steinen übersät, sodass wir wieder einmal nur im Schritttempo vorwärtskamen oder sogar schieben mussten. Als wir uns einem Fjord näherten, wurde die Strasse wieder besser und wir konnten über mehrere Stunden direkt dem Meeresufer folgen. Dabei gelangten wir abends zu einem offiziellen Zeltplatz mit eigenem Strand. Als grosses Highlight erspähten wir am nächsten Morgen direkt nach dem Frühstück eine Gruppe Delfine, die sich in unmittelbarer Strandnähe munter vergnügte.

In Coyhaique, der Hauptstadt der Region, kamen wir über die Organisation „Airbnb“ bei Gabriela und Mario unter. Durch Airbnb können Leute ihre Wohnungen gegen ein kleines Entgelt mit Reisenden teilen oder ihnen komplett zur Verfügung stellen. So wurden wir in ihrem Haus inmitten im Grünen aufs Herzlichste empfangen. Bei ihnen verbrachten wir drei gemütliche Tage, wobei sie am letzten Abend sogar ein „Asado”, ein typisch chilenisches Grillfest, für uns organisierten. Man isst viel Fleisch, mit… viel Fleisch. Über unsere Frage nach Beilagen blickten wir in überraschte Gesichter. Das scheint man bei Grilladen echt nicht zu kennen. Was dafür natürlich nicht fehlen darf, ist wiederum der Wein.

Weil genau für unseren Abfahrtstag starker Regen und Kälte angekündet waren, entschieden wir uns, den nächsten Streckenabschnitt per Autostopp zurückzulegen. Dies ist hier in Patagonien eine gängige Sache, und da die meisten Leute ohnehin mit grossen Geländewagen unterwegs sind, auch mit Velos kein Problem. Unsere Gastgeber Gabriela und Mario fuhren wegen einer Hochzeit zufälligerweise am selben Tag genau diesen Abschnitt und boten daher an, uns mitzunehmen. Dieses Angebot nahmen wir natürlich dankend an. Unterwegs hatten wir noch die Gelegenheit, die sogenannten Marmorkapellen am zweitgrössten See Südamerikas zu besichtigen. Kurz vor dem Ziel zeigten die beiden uns zudem die „Confluencia”, eine Stelle, an der die beiden Flüsse „Baker“ und „Neff“ mit grossem Getose zusammenfliessen. Dort kann man die Gewalt des Wassers und damit die Kraft der Natur regelrecht spüren.

In Cochrane angekommen, machten wir uns gleich weiter nach Süden auf. Nun fanden wir uns in einer riesigen Moor-Landschaft mit vielen kleinen Seen wieder, die je nach Wetter ihre Farbe von tiefschwarz zu türkisblau änderten. Auch Flüsse sahen wir unzählige, grössere und kleinere. Einige sprudelten fröhlich vor sich hin, während sich andere wild durch die Felsen frassen. Es war erstaunlich, wie klar die Gewässer jeweils waren, bei den meisten Flüssen und Seen konnte man problemlos auf den Grund sehen. Nachdem wir uns bei Einheimischen abgesichert hatten, füllten wir unsere Flaschen auch stets direkt an Bergbächen auf, das Filtern konnten wir uns weiterhin ersparen. Besonders eindrücklich in diesem Abschnitt waren zudem die zahlreichen Wasserfälle. Über mehrere hundert Meter stürzten sich Unmengen an Wassermassen mit kilometerweit hörbarem Rauschen ins Tal.

Als wir am 31. Oktober, kurz vor dem Ende der Carretera Austral, auf einem Pass mit toller Aussicht zelteten, erlebten wir ein Halloween der besonderen Art. Michi wurde in der Nacht von einem seltsamen Rascheln geweckt. Als er die Augen öffnete, blickte er direkt in die kleinen Kugeläuglein einer Maus, die auf unserem Innenzelt herumzuturnen schien. Einen Moment später rutschte sie fröhlich die Zeltwand herab und floh in den Regen. Einige Leute mögen die kleinen Nager vielleicht süss finden, wir aber ganz und gar nicht. Wir entfernten den Abfallsack, den sie bereits angeknabbert hatte, aus dem Vorzelt und versuchten angestrengt wieder einzuschlafen. Aber natürlich war das nicht ihr letzter Besuch in dieser Nacht… Am Morgen mussten wir sogar feststellen, dass der Störefried sich an unserem Innenzelt vergangen hatte. Miriam hat daraufhin kurz mit dem Gedanken gespielt, für immer aus dem Zelt auszuziehen.

In den letzten beiden Tagen vor Villa O’Higgins, dem südlichsten Dorf der Carretera Austral, hatten wir dann leider etwas Pech mit dem Wetter. Da sich Regen, Sonne und kalter Wind im Halbstundentakt abwechselten, waren wir den ganzen Tag über am Kleider an- und ausziehen. Weil es hier in Patagonien zudem vorkommt, dass es trotz Sonnenschein über eine längere Zeit stark regnet, schwitzten wir zum Teil unter den Regenklamotten, sodass wir nie wussten, ob wir den Regenschutz tatsächlich anziehen sollten oder nicht, nass wurden wir ja eh. Kurz vor der Einfahrt in Villa O’Higgins ging das wechselhafte Wetter in Dauerregen mit sturmartigen Böen über. Wie froh waren wir da um unsere gute Regenausrüstung! Diese Investition hat sich echt gelohnt. Obwohl wir grösstenteils trocken blieben, war es ein gutes Gefühl, als wir unsere Ausrüstung am frühen Nachmittag in einer gemütlichen Herberge zum Trocknen aufhängen konnten.

Die Natur auf der gesamten Carretera Austral hat uns enorm gut gefallen. Auch wenn wir uns die schönen Landschaften und Ausblicke wegen der steilen Pässe, des teilweise mühsamen Untergrunds und des wilden Wetters immer wieder verdienen mussten, die Anstrengungen haben sich auf jeden Fall gelohnt!

Das stürmische Wetter dauerte noch einige Tage an. In der Nacht rüttelte der Wind jeweils derart am Dach unserer Herberge, dass wir nicht wussten, ob wir am Morgen im Trockenen aufwachen würden. Die nette Besitzerin unserer Unterkunft meinte, dass solche Windstärken sogar für Patagonien aussergewöhnlich seien. Weil der Hafen aufgrund des Winds geschlossen war und unsere Weiterreise von zwei Seeüberquerungen per Fähre abhing, sassen wir also für ein paar Tage in Villa O’Higgins fest. Uns blieb nur zu hoffen, dass Petrus die kommenden Tage etwas ruhiger angehen würde. Bis Montag mussten wir uns gedulden, doch dann konnte es endlich weitergehen.

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