Sind Stadt-Velofahrer Rowdys?

Das Thema Velofahren in städtischen Gebieten ist emotional und hat vor wenigen Wochen einen tragischen Höhepunkt erreicht. In Dübendorf stürzte ein 82-jähriger Mann nach einem Gerangel mit einem Velofahrer und verstarb. Auslöser: Er hatte den Velofahrer auf das Fahrverbot am Glattuferweg hingewiesen.

In den Kommentaren diverser Online-Medien gingen die Emotionen hoch und machten deutlich, dass städtische Velofahrer in den Augen vieler Leute „Rowdys“ oder „Verkehrsregel-Brecher“ sind, denen so ziemlich alles egal ist. Abneigung oder gar Hass schlagen der Velo-Fraktion entgegen. Beachten muss man allerdings, dass die Kommentar-Verfasser kein repräsentatives Bild der Gesellschaft zeichnen.

Doch tatsächlich kann man als Fussgänger oder Autofahrer in kleineren und grösseren Städten schnell den Eindruck gewinnen, dass das Wort Verkehrsregel im Vokabular vieler Velofahrer nicht existiert. Sie nutzen trotz Verbot Trottoirs, brausen auch bei Rot über Kreuzungen und schlängeln sich links und rechts an den Autokolonnen vorbei.

Es fehlt an Velo-Infrastruktur

Daraus zu schliessen, dass Velofahrer sich aus Prinzip nicht an Verkehrsregeln halten, greift aber zu kurz. Viel mehr drückt sich in diesem Verhalten das Infrastruktur-Problem in mehreren Schweizer Städten aus. In Zürich beispielweise sind die Velowege eher spärlich gesät, der Gang auf das Trottoir nicht selten die sicherere Wahl. Darauf sollte man unserer Meinung nach aber verzichten oder vom Velo steigen. Auf den Strassen wiederum herrscht ein Konflikt mit den Automobilisten, die in den Fahrmanövern der Zweiräder eine Schikane erkennen. Wir finden deshalb, dass das Veloweg-Netz unbedingt ausgebaut werden muss. Wenn entsprechende Wege bestehen, werden diese von den Velofahrern auch genutzt. Leider agiert die Politik hierbei schweizweit eher langsam.

Velokuriere sind für viele Fussgänger und Autofahrer Vorreiter, wenn es um die Nichtbeachtung von Verkehrsregeln geht. (Karin Jung / pixelio)

Durch faires Verhalten Vorurteile abbauen

Noch wichtiger als neue Velowege ist der gegenseitige Respekt zwischen den Verkehrsteilnehmern. Läuft ein Fussgänger auf dem an das Trottoir angeschlossenen Radweg, sollte man ihn dafür nicht zusammenstauchen. Erst kürzlich hat ein Veloplus-Mitarbeiter beobachtet, wie sich ein Velofahrer mit einem freundlichen „Entschuldigung“ bemerkbar machte. Mit diesem Verhalten bauen wir Velofahrer Vorurteile ab. Wie erlebst du das Spannungsfeld zwischen Velofahrer und Fussgängern / Automobilisten im Velo-Alltag?

11 Kommentare

Znuk
9. Mai 2011

Guter Bericht, hat echt was.

Als Landei konnte ich die Velofahrer in meinem Arbeitsort Bern nie verstehen, welche Verkehrsregeln brechen. Bis ich selbst ab und an mit dem Velo durch die Grossstadt fuhr.

In einer stinkenden Kolonne zu stehen und zu warten, kanns ja echt nicht sein. Noch weniger halte ich von den Autofahrern welche existierende Gassen absperren und den Velofahrer quasi ins Verbrechen zwingen.

xammix
9. Mai 2011

Ich erlebe im Alltag (Biel & Umg.) absolut rücksichtsvolle, zuvorkommende Lenker von motorisierten Zweirädern, PWs, Lieferwagen, Busse und LKWs, aber ebenso rücksichtslose und gefährdende Zeitgenossen. Generell muss ich mich bei Fahrzeugen mit Kennzeichen aus der Welsch-, Südschweiz und aus dem Ausland mehr in acht nehmen als vor anderen. Ob Mann, Frau, alleine, mit der Familie, ob in der Rushour, auf Einkaufs-, Feierabend-, Sauf-, Wochenendfahrt, ob Stadtzentrum oder Agglomeration, ist egal. Einfluss hat vor allem, wie sehr die Leute beabsichtigen, sich auch mental auf der Strasse zu befinden oder sich lieber Handy, GPS, Autoradio, Zigarette, Essen und Trinken und nicht zuletzt Beifahrern zuwenden wollen. Ich spreche von Absicht, weil in Situationen, in denen das eigene Verhalten Konsequenzen auf die Mitwelt nach sich zieht, Prioritäten zwingend gesetzt werden müssen. Unabhängig davon, ob der Entscheid dabei „richtig“ oder „falsch“ gefällt wird, ein Entscheid ist auch eine Absicht. Es kommt auch auf den Charakter der Leute an. Dabei gibt es Chamäleone, die sich im Auto als auch als Fussgänger so benehmen, als lebten sie alleine. Schlussendlich sind aber auch auf ihre mit Velofahrern gemachten Erfahrungen und Erlebnisse von Bedeutung.

Rowdytum und anderes, unmögliches Verhalten beobachte ich leider zunehmend bei Velofahrern, auf der Strasse wie auch auf Naturwegen und allerlei Trails. Exemplarisch sind die meisten Velokurriere, aber auch Kinder und Jugendliche, die es von ihren Eltern und anderen, oft älteren Menschen kopieren. Die zum Teil ungenügende, falsch geplante, mängelhafte oder gar fehlende Infrastruktur kann dazu führen, in die illegale Defensive auszuweichen, darf aber nicht für alles herhalten. Ich stelle fest, dass etliche Velofahrer völlig ohne Gefahr, aus Faulheit oder Anarchismus Trottoire, Zebrastreifen oder reine Fussgängerzonen befahren, Rotlichter oder Stopps ignorieren und frech reagieren, wenn man versucht, sie freundlich auf ihr Verhalten aufmerksam zu machen (Erziehung und Mentalität wiegen meist schwerer als Herkunft und Hautfarbe). Nachtfahrten ohne Licht, Passagiere auf dem Gepäckträger, Überholen von langsameren Velofahrern oder Ausweichen von Hindernissen ohne Rückblick, schlechter technischer Zustand des Velos und vieles mehr füllte ganze Bände.

Es ist manchmal unbequem, sich so zu verhalten, wie man es von den anderen erwartet. Es ist oft zeitaufwendiger, man macht sich in der Gruppe lächerlich und wähnt sich in seinem Tun alleine auf weiter Flur. Ich mache nicht immer alles richtig, bin nicht immer genügend aufmerksam und achtsam, benehme mich aber nie absichtlich falsch. Nicht selten muss ich mich mit meinem „Aluross“ im Strassenverkehr behaupten und wehren, und das gelingt leider nicht immer in freundlichem Ton. Mit 46 Jahren und viel Praxis am Lenker von Motorrädern, Autos und diversen Velos weiss ich mich zu benehmen, vor allem kann ich Gefahren von anderen und mögliche Wirkungen meines Verhaltens auf andere einigermassen gut einschätzen. So kann ich mit Rücksicht und Toleranz Konflikte proaktiv vermeiden, aber auch meine Knochen schützen.

Neben dem Bau, Ausbau und Ausbessern der Veloinfrastruktur inner- und ausserorts würde ich generelle und gezielte Verkehrskontrollen durch die Polizei sehr begrüssen. Auch sollten Patrouillen per PW und Velo Verkehrssündern nicht einfach zusehen und weiterfahren. Es existiert ein Strassenverkehrsgesetz, welches für alle Gültigkeit hat. Ist etwas anlässlich einer Kontrolle oder in flagranti nicht in Ordnung, muss gebüsst werden. Es ist dabei völlig egal, ob ein technischer Mangel (abgefahrenes Reifenprofil oder Bremsgummi usw.) oder eine Zuwiderhandlung gegen das StVg vorliegt. Anschliessend muss aber eine Nachinspektion des Velos bzw. eine Instruktion der Person in Theorie und/oder Praxis Vorschrift sein. So könnte realitätsbezogene Prävention aussehen, die nachhaltig etwas bewirkt. Es ist nicht möglich, den Leuten Anstand beizubringen, aber angesichts des zunehmenden Verkehrs sind andere Wege nötig als Flyers und unverbindliche Tipps von Verbänden wie ProVelo, Swiss Cycling oder anderen wie VCS.

Thomas
10. Mai 2011

Gezielte Verkehrskontrollen für Velofahrer möchte ich nicht. Das würde Tür und Tor für willkürliche Entscheide öffnen. Auch wenn das leider schwierig ist, hoffe ich auf die Eigenverantwortung. Auch ich weiche manchmal, z.B. wenn ich einen LKW im Rücken habe aufs Trottoir aus, steige dann aber vom Velo. Wichtig finde ich aber auch, dass das Velo als Verkehrsmittel akzeptiert wird. Hin und wieder habe ich das Gefühl, dass Fussgänger und Autofahrer das Velo nur als Ärgernis sehen. Schade! Obwohl auch hier viele Menschen auf zwei Rädern unterwegs sind, scheint die Kultur (noch) nicht in der Schweiz angekommen zu sein.

    Vincent
    14. Juni 2011

    Was Du hier von dir gibst ist logischer Unsinn. Verkehrskontrollen können nur innerhalb der geltenden Gesetze stattfinden und diese sind publiziert. Willkür haben wir heute, weil du auf der Strasse alles illegale machen kannst was du willst und dabei noch meinen kannst es sei richtig weil „jeder“ es tut, es hat keine Konsequenzen und wenn doch ist es genau deshalb Willkür weil es „niemanden trifft“ aber dich hat es „ungerechterweise“ getroffen.
    Die Strasse ist auch kein Wunschkonzert wo man sich Kontrollen wünschen kann denn sonst brauchen wir die Verkehrsregeln auch nicht, ausser für diejenigen die sich eine Ordnung vorlügen wollen.
    Die Willkür hört dann auf wenn du mit Sicherheit weisst dass du gebüsst wirst wenn du eine Regel übertrittst.
    Der Begriff „Eigenverantwortung“ ist nach ein paar Jahrzehnten doch arg abgegriffen, ausgeleiert und wurde durch die Fakten als wirkungslos belegt. Stell dir vor sogar ich als Velofahrer sehe viel zu viele Velofahrer als Ärgernis. Ich bin wirklich froh dass der Rest auf der Strasse noch nicht dieselben Sitten angenommen hat. Was in der Schweiz angekommen ist, ausgehend von den Velokurieren in der Stadt Zürich, ist leider eine Unkultur.

Konrad
10. Mai 2011

Wenn Velofahrer sich in Zürich an der Bahnhofstrasse vor den Rolltreppen durch die Fussgängerströme schlängeln, hat das nichts mit fehlender Velo-Infrastruktur zu tun, ebensowenig wenn Velofahrer grundsätzlich nie vor Fussgängerstreifen anhalten und auch nicht, wenn ich an der roten Ampel von so einem Vollidioten von hinten gerammt werde…Der Beispiele sind leider unzählige und täglich als Fussgänger und Radfahrer zu erleben. Das Image des Velofahrers als Ärgernis haben sich diese selber zuzuschreiben und nur sie selber werden dazu beitragen können, dass das ändert.

Daniel
16. Mai 2011

Ich finde es wichtig, dass nicht alles auf das Einhalten von Verkehrsregeln reduziert wird. Rücksichtnahme ist viel wichtiger! So sollten zum Beispiel Fussgänger nicht zu nahe und nicht zu schnell überholt werden, auch wenn man sich auf einer Verkehrsfläche befindet, wo velofahren erlaubt ist.
Die Verkehrsregeln wurden zu 99% dazu geschaffen, den motorisierten Verkehr möglichst reibungslos abzuwickeln. Als Autofahrer halte ich mich stirikte an die Verkehrsregeln. Als Fussgänger und auch als Velofahrer erlaube ich mir manchmal schon, zu hinterfragen, ob die Regel auch irgend einen Sinn macht.

P.S.: Ich habe stark den Eindruck, dass die Leute, welche die strikte Einhaltung der Verkehrsregeln durch Velos für das allerwichtigste halten, selbst nicht Velo fahren in der Stadt!

    Vincent
    27. Juni 2011

    „Ich finde es wichtig, dass nicht alles auf das Einhalten von Verkehrsregeln reduziert wird. Rücksichtnahme ist viel wichtiger!“
    ___________________________________________________________________________________________
    Strassenverkehrsgesetz Art. 26

    Grundregel

    1 Jedermann muss sich im Verkehr so verhalten, dass er andere in der ordnungsgemässen Benützung der Strasse weder behindert noch gefährdet.

    2 Besondere Vorsicht ist geboten gegenüber Kindern, Gebrechlichen und alten Leuten, ebenso wenn Anzeichen dafür bestehen, dass sich ein Strassenbenützer nicht richtig verhalten wird.
    ___________________________________________________________________________________________

    Was du da von dir gegeben hast ist ein Widerspruch in sich selbst und damit ein Witz, siehe Grundregel oben. Vielleicht solltest du das nächste mal VORHER die Gesetze konsultieren….

    Vincent
    27. Juni 2011

    Ach noch etwas:

    „P.S.: Ich habe stark den Eindruck, dass die Leute, welche die strikte Einhaltung der Verkehrsregeln durch Velos für das allerwichtigste halten, selbst nicht Velo fahren in der Stadt!“

    Ich fahre jeden Tag Velo in der Stadt Zürich (und nicht auf dem Trottoir…) und bin glücklich dass sich die Autofahrer (noch) nicht so verhalten wie die Velofahrer…

Johannes
16. Mai 2011

Rowdytum ist kein rein städtisches Problem. Bei uns in der Linthebene sind vor allem Rennvelofahrer, teilweise in Gruppen, sehr schnell unterwegs. Die Geschwindigkeit ist nicht das Problem. Einigen von ihnen ist aber Bremsen ein Fremdwort. Wenn man mit Anhänger und kleineren Kindern auf diesen Strassen unterwegs ist, ist nicht der motorisierte Verkehr die Gefahr, sondern andere Velofahrer. Fahre so, wie du es von den anderen wünschen würdest.

Florian
18. Mai 2011

Ich war vor einem Jahr in Dänemark unerwegs. In allen Städten gab es , durch Randstein getrennte, Velo-spuren und auf Überlandstrecken fast immer einen parelelle geführten Veloweg. Leider stellen sich unsere Bauern quer, wenn man ihnen, zu gunsten eines Weloweges, Land abnimmt.

Adrian
18. Mai 2011

Einerseits stimme ich zu, dass es bei der Verkehrssituation in Zürich echte Probleme gibt, die dafür, dass sich viele Velofahrer nicht an Verkehrsregeln halten, mitverantwortlich sind. In Zürich gibt es recht viele Stellen, wo Velofahrer grosse Umwege machen müssen, wenn sie sich an die Verkehrsregeln halten. Es ist auch ein grosser Fehler, dass an einigen Stellen die Velofahrer mit spezieller Signalisierung tatsächlich übers Trottoir geführt werden – so entsteht der falsche Eindruck, dies sei generell erlaubt. Ich bin von Basel nach Zürich gezogen, und ich bin überrascht, wie wenig sich Velofahrer in Zürich an die Verkehrsregeln halten. In Basel kommt das unerlaubte und gefährliche Velofahren auf dem Trottoir kaum vor, in Zürich die ganze Zeit. Der Grund dafür ist wahrscheinlich nicht, dass Zürcher rücksichtsloser sind, sondern dass die schlechtere Verkehrssituation in Zürich rücksichtsloses Verhalten gefördert hat. In Basel ist es im Allgemeinen relativ einfach, mit dem Velo von A nach B zu gelangen – sei es auf der Strasse, auf Velowegen oder Velostreifen -, und es kommt kaum jemandem in den Sinn, das Trottoir zu benützen.

Andererseits sind diese Erklärungen keine Entschuldigung. Gegenüber Velofahren auf dem Trottoir muss eine absolute Nulltoleranz gelten. Die lautlosen Velos sind auf Trottoirs viel schlimmer als es z.B. Mopeds wären, die man von hinten kommen hört. An einigen Orten in Zürich ist es so weit gekommen, dass man als Fussgänger auf einem engen Trottoir immer wieder nach hinten schauen muss und keinen Schritt zur Seite machen darf, um nicht von Velofahrern über den Haufen gefahren zu werden. Ebenso ist es vollkommen inakzeptabel, wenn Velofahrer an einem Fussgängerstreifen vorbeifahren, wenn ihr Lichtsignal rot und das der Fussgänger grün ist.

Es braucht beides. Die Situation der Velofahrer in Zürich ist tatsächlich schlecht, gemäss meinem Eindruck ist die viel schlechter als z.B. in Basel. Es sollten mehr Velostreifen gebaut werden, und bei mehr Einbahnstrassen sollten die Voraussetzungen geschaffen werden, dass Velofahrer in beide Richtungen fahren können. Andererseits muss aber ganz klar gesagt werden, dass das Velofahren auf dem Trottoir und das Nichtgewähren des Vortritts auf dem Fussgängerstreifen nicht toleriert wird – hier sollte die Polizei noch aktiver werden, und es ist auch gut, wenn Fussgänger Zivilcourage zeigen und Velofahrer auf ihr Fehlverhalten aufmerksam machen und ihnen auf dem Trottoir nicht Platz machen.

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